Der Blog für die zweite Lebenshälfte

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Noch

Veröffentlicht in: Älterwerden (im Selbstversuch), Geronto-was? Theorie ganz praktisch

Beim Kirchenkaffee sprach ich kürzlich mit einer ehemaligen Teilnehmerin unseres Basiskurs Seelsorge. Sie ist inzwischen über 80 und trotz Kopfsteinpflaster mit dem Rollator unterwegs. Ich treffe sie ständig im Städtchen. Zwischen Keks und Kaffee rutschte es mir raus: „Und Sie wohnen noch in ihrer Wohnung?“ Sie darauf: „ Es fällt mir auf, dass ich in letzter Zeit häufiger das Wort ´noch´ höre.“  Da ist sie wieder, die Sprache der Endlichkeit. Oder ist es die Sprache der Altersdiskriminierung? Mir fiel das erst heute ein, als im Zündfunk im Bayern 2 Radio eine junge Moderatorin über eine Gruppe sprach: die sei ja schon ewig auf der Bühne, dass die überhaupt noch spielen könnten usw. Da erst wurde mir bewusst, dass das Wort „noch“ aus dem Wortschatz des „Ageism“ stammen könnte. Kann er überhaupt noch Autofahren? Kann sie noch alleine in ihrer Wohnung leben? Kann er überhaupt noch Sex haben? Kann sie noch die Gruppe leiten?
Das sind alles so Fragen, die sich auf dieser wackeligen Grenze zwischen Mitgefühl, Sorge und Diskriminierung bewegen.

Bei der Gelegenheit fällt mir eine andere Variante von „noch“ ein. Die taucht eher bei den 50 – 60 jährigen auf und ist mit dem Wort „will“ verknüpft: Will ich noch auf diese Weise meine Arbeit verrichten? Lasse ich mir von meinem jungen Chef das noch sagen? Will ich mich noch durchs Leben hetzen? Will ich mit meiner Partnerin noch etwas anderes erleben? Was will ich noch, wenn ich irgendwann einmal mehr Freiheit habe?

Auf der selben Autofahrt hörte ich im Radio das Lied „Dance me to the end of time“. Ich fand es in einer anderen Version, der von Leonard Cohen. Und der singt auch noch.


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