Der Blog für die zweite Lebenshälfte

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Märchen im Advent – Wege durch die Nacht

Veröffentlicht in: Allgemein, Andacht/ Spiritualität, Ideen für Gruppen

Märchen im Advent - Wege durch die Nacht Was habe ich mich im Vorfeld gequält.  Da haben wir nun für unsere Weihnachtswerkstatt am ersten Advent das Thema Märchen gewählt. Passt ja auch so gut zum Advent. Dachte ich. Und dann saß ich da mit Sterntaler, Frau Holle, den sieben Geisslein und einem Hexenhäuschen. Oh Schreck: ein muttervaterobdachloses Mädchen geht in den dunklen Wald und gibt ihr letztes Hemd. Eine andere spinnt sich die Finger blutig und muss ebenso mutterlos alles alleine richten. Die Geislein sind allein zu Haus und durchleben das Trauma, mit Haut und Haar gefressen zu werden. Und das Hexen-Lebkuchen-Häuschen ist auch eine mehr als trügerische Rettung.

Nun weiß ich natürlich, dass man die Märchen symbolisch wie Träume verstehen kann, als Entwicklungsgeschichten auf dem Weg zum erwachsen werden. Aber muss ich mir  – und den Kindern, oder den Senioren, solche Bilder gerade in der Adventszeit antun? Man will es doch auch mal schön haben…

Doch dann schaute ich genauer hin: die Weihnachtsgeschichte ist auch nicht gemütlich. Eine Mutter muss ihr erstes Kind ohne Beistand einer Hebamme zur Welt bringen. In einem Stall. Hirten als Randgestalten der Gesellschaft machen einem merkwürdigen König ihre Aufwartung. Herodes will das Kind töten – es wird gerettet durch göttliche Traum-Hilfe. Nicht ohne dass andere Kinder sterben. Das ist nicht romantisch. Das ist genauso weit weg von unseren Alltagserfahrungen, wie die Armuts- und Königswelt der Märchen. Und es ist genauso tief wie die Märchen.

Christliche Werte spielen in den Märchen eine Rolle. Die goldene Jungfrau in Frau Holle hilft, obwohl sie eigentlich gerade selbst Not hat. Das Mädchen mit den Sterntalern übt Barmherzigkeit, ohne an sich selbst zu denken. Es verschenkt alles was sie hat an andere Bedürftige. Ich habe irgendwo gelesen, dass so das Frauenbild des Biedermeier aussah. Für andere da sein bis zur Selbstaufgabe. Das ist für mich falsch verstandene Nächstenliebe. „Liebe deinen Nächsten“ kommt nicht ohne das „wie dich selbst“ aus. Ich ringe also immer noch mit dem Sterntaler-Kind. Freue mich aber auch mit der Goldmarie.

Allerdings ist das Gottvertrauen in der Sterntaler – Reise durch die/ in die Dunkelheit eindrucksvoll und anrührend. Wie ein Gebet: „Lass mich dir vertrauen, Gott, wie dieses Mädchen.“ Das Kind geht in die Nacht hinein– und auch die christliche Tradition hat die Heilige Nacht zum zentralen Ausgangspunkt der Heils- Geschichte gemacht. In der Nacht geschehen die großen Dinge. Im Verborgenen tritt Gott zutage. Im Dunklen finde ich nicht nur die Verlassenheit, sondern auch den geschenkten Trost – und den Ausweg.

Die Goldmarie hat durch ihre Hilfsbereitschaft unerwartet reichen Lohn. Das arme Kind wird mit Sterntalern überschüttet und einem Himmelskleid beschenkt. Die Geislein  finden ihre Freiheit und helfen dabei, den Bösewicht zu überwinden. Hänsel und Gretel finden trotz und in der Not Rettung und Schätze, die ihnen das weitere Leben leicht machen. Das Breitöpfchen schenkt, was lebens-not-wendig ist. Auswege finden oder geschenkt bekommen – solche Bilder stärken die Kinderseele genauso wie die Erwachsenen. Das Heil der Welt kommt still in der Nacht in Armut zur Welt. Das ist paradox und gerade darum so heilsam.


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2 Kommentare zu “Märchen im Advent – Wege durch die Nacht”

Ursula Döbert sagt:

Guten Morgen,
das sind wunderbare Gedanken zu Märchen und warum sie notwendig sind, auch warum man sie mit Gebeten vergleichen kann und auch warum sie Hoffnung geben. Der Vergleich mit der Weihnachtsgeschichte gefällt mir ebenfalls gut. Kenne die These „Kinder brauchen Märchen“, habe mich nicht lange damit beschäftigt, da zu meiner Zeit, als ich kleine Kinder hatte, diese komplett abgelehnt wurden. Heute würde ich anders rangehen. Nach dem Lesen der Gedanken wurde mir wieder ganz deutlich, was mir all die Märchen gebracht haben:
Hoffnung, auf einen Ausweg, einen anderen Weg, Hoffnung, dass das Gute siegt—-es blieb nicht das Moralische hängen, sondern die Hoffnung. Auch daher ein guter Vergleich mit der Weihnachtsgeschichte. Heute arbeite ich mit älteren Leuten und ich werde Märchen im nächsten Herbst und in der Adventszeit mit Rundumerklärungen einsetzen. Danke für diese Idee.

ebz sagt:

Liebe Frau Döbert, das freut mich sehr. Ich merke, wie tief und bereichernd es in mir nachwirkt, die Märchen in meinen Alltag (zurück) zu holen. Ich wünsche Ihnen gute Wege und Bilderwelten für sich und Ihre Gruppe!.
Annegret Zander

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