Töpfchen steh
Heute morgen ist das Märchen vom süßen Brei bei mir „angekommen“. Ein armes Mädchen bekommt von einer alten Frau ein Töpfchen geschenkt und die dazu gehörigen Zauberworte. Nun kann das Kind sich selbst und seine Mutter versorgen und sie brauchen nicht mehr zu hungern.
Als das Kind einmal nicht da ist, versucht die Mutter ihr Glück mit dem Töpfchen. Doch da sie nicht weiß, wie sie den Fluss des guten süßen Breis stoppen kann, ergießt er sich im ganzen Haus und bedeckt schließlich fast den ganzen Ort mit seinem überbordenden Segen.
Heute morgen kamen aus dem Traumland als erstes die fehlenden Worte zu mir „Töpfchen, steh“. Und mit einem Mal wusste ich: der Newsletter, den ich heute fertig schreiben will, muss kurz werden. Denn Sie alle haben ja genau wie ich mit einem Über-Fluss zu tun: an guten Worten, Informationen, Arbeit, Keksen die gebacken werden wollen, Geschenkesuche, Adventskaffees – na Sie wissen ja selbst. Vieles davon wunderbar, nahrhaft, stärkend. Aber irgendwie auch zu viel.
„Töpfchen steh“ So einfache Worte. Ob sie auch in unserem Alltag ihre Wirkung tun? Ja! Wenn wir uns daran erinnern würden…
Also, ich habe mir eine Tasse Kaffee geholt, die Kerze angezündet, allen gesagt, dass ich bis halb elf nicht zu sprechen bin und nun genieße ich das Schreiben.
Noch ein Gedanke, der mir in dieser Ruhe durch den Sinn ging: die alte Frau, die dem Mädchen das Töpfchen schenkt, „die wusste seinen Jammer schon“, erzählt das Märchen. Ein Gottesbild, in Märchen verpackt. Und das Töpfchen steht auch bei Ihnen schon bereit. Und selbst, wenn es klein und rostig sein sollte, so kann es doch mit den geschenkten Worten „Töpfchen, koche“ zum Fließen gebracht werden. Wir müssen uns nur an die Worte erinnern…
Und hier das Märchen:
Der süße Brei
Es war einmal ein armes, frommes Mädchen, das lebte mit seiner Mutter allein, und sie hatten nichts mehr zu essen. Da ging das Kind hinaus in den Wald, und begegnete ihm da eine alte Frau, die wußte seinen Jammer schon und schenkte ihm ein Töpfchen, zu dem sollt es sagen: »Töpfchen, koche«, so kochte es guten, süßen Hirsebrei, und wenn es sagte: »Töpfchen, steh«, so hörte es wieder auf zu kochen.
Das Mädchen brachte den Topf seiner Mutter heim, und nun waren sie ihrer Armut und ihres Hungers ledig und aßen süßen Brei, sooft sie wollten.
Auf eine Zeit war das Mädchen ausgegangen, da sprach die Mutter: »Töpfchen, koche«, da kocht es, und sie ißt sich satt; nun will sie, daß das Töpfchen wieder aufhören soll, aber sie weiß das Wort nicht. Also kocht es fort, und der Brei steigt über den Rand hinaus und kocht immerzu, die Küche und das ganze Haus voll und das zweite Haus und dann die Straße, als wollt’s die ganze Welt satt machen, und ist die größte Not, und kein Mensch weiß sich da zu helfen. Endlich, wie nur noch ein einziges Haus übrig ist, da kommt das Kind heim und spricht nur: »Töpfchen, steh«, da steht es und hört auf zu kochen, und wer wieder in die Stadt wollte, der mußte sich durchessen.
Gebrüder Grimm (KHM 103)
nach oben