Magische Zahl 60: Wünsche, Werte, Weichen stellen für den Ruhestand
In letzter Zeit treffe ich vermehrt Männer so um die 60, denen ein gewisser Schmerz ins Gesicht geschrieben steht, wenn sie ihren 60. Geburtstag nahen sehen.
Es wundert mich nicht, denn mit der Zahl vor der Null ändert sich rund um dieses Datum wieder etwas Entscheidendes. Die Fremdbestimmung, aber auch die Wertschätzung durch die Arbeit tritt in den Hintergrund. Vor Augen steht ein neuer Lebensabschnitt und Gestaltungsspielraum von ungefähr 15 – 20 Jahren, in dem man es mehr oder weniger selbst in der Hand hat, ob man ihn als Abstellgleis oder große Freiheit erlebt.
Der Ruhestand ist auch nicht mehr, was er einmal war… Als er erfunden wurde, 1889, wurden nur Zuschüsse gezahlt, um „Leistungs-und Lohneinbußen der Arbeiter mit Beginn des 70. Lebensjahres zu kompensieren.“ So, unser Fachbeiratsmitglied Dr. Christian Mulia in seiner Dissertation „Perspektiven der kirchlichen Altenbildung“, die in Kürze veröffentlicht wird. Er schreibt weiter: „Leitbild bleibt im ausgehenden 19. Jh. der ´geglückte´ Lebenslauf, bei dem der Mensch bis zum Ende seines Lebens arbeitet, bis er erkrankt und stirbt.“
Das ändert sich durch die Wirtschaftskrise Anfang des 20. Jahrhunderts, als den jungen Arbeitern der Vorzug gegeben wird. In der Zeit des Nationalsozialismus wird ein ideologischer Überbau konstruiert, um „den Arbeitsmarkt zugunsten von jungen, potentiellen Familienvätern zu entlasten. `Der Lebensfeierabend eines Menschen stellt etwas Feierliches, Ruhiges, Beschauliches dar.` ..“ (Mulia, 30) „Erlöst von seinen Pflichten…“ nun, das gilt für viele sicher heute noch. Aber in den 1980ern gab es erste Unruhen unter den Ruheständlern. Doch auch der Begriff „Un-Ruhestand“ passt nicht mehr, auch wenn viele Kalender von Ruheständlern mehr als gefüllt sind. Manche nennen das die nachberufliche Phase.
Heute kommt, nachdem der Garten gemacht, der Dachboden aufgeräumt und die Enkel geschaukelt wurden, bisweilen die Langeweile auf den Plan und lässt einen neue Fragen stellen: Was mache ich mit all meiner Erfahrung? Wo könnte ich die Fertigkeiten einbringen, die ich mir im Laufe meines Berufslebens erworben habe? Mit wem kann ich interessante Gespräche führen? Was gibt meinem Leben Sinn? Wo sieht mich überhaupt jemand?
So manches lässt sich vorher ergründen, damit das Loch nicht allzu groß wird, wenn der Beruf als Zeitbestimmer und Inhaltsbestimmer wegfällt.
Die Antwort sieht sehr unterschiedlich aus. Ich habe begonnen, Ruheständler zu befragen. Einige haben schon geantwortet, weitere folgen.
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