Wenn die Liebe Türen öffnet – ein anderer Blick auf 1. Kor 13
Der Liebesmonat Mai beginnt und ich benenne ein weiteres wichtiges buntes und vielfältiges Thema in der zweiten Lebenshälfte: die Liebe in all ihren Facetten.
Liebesbriefe
In einer Serie widme ich mich ab heute dem Thema „Liebe im Alter“. Unter dem Titel „Alte Liebe rostet nicht“ werden wir uns in einem Tagesseminar darin versuchen, die Liebe zwischen älteren und alten Menschen aus dem Tabu herauszuholen und sprach- und handlungsfähig zu werden. In diesem Zusammenhang entdecke ich die christliche Religion als Liebes-Religion wieder. Auf unverwechselbare Weise hat dies Fulbert Steffensky in einem Beitrag zur Serie „Himmlische Lust“ formuliert.
Korrespondenz mit Paulus
Wenn nun wieder die Hochzeitssaison beginnt, werden auch Sie wieder die vertraute Litanei des 1. Brief des Paulus an die Korintherinnen und Korinther hören. (1. Korinther 13) Sie endet mit „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei. Die Liebe aber ist die Größte unter ihnen.“ Ich hatte dazu eine intensive Korrespondenz mit Paulus. Damit will ich diese Serie beginnen.
Es begann während einer Trauung. Da war er wieder, der Satz „die Liebe erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles“ ( V7). Dieser Satz ist schon oft genug falsch verstanden worden, hat schon so manches Leid gebracht, Frauen in gewalttätigen Beziehungen ausharren lassen, Menschen sich gegenseitig unterdrücken lassen. Auch fragte ich mich, was dieses wunderschöne, aber irgendwie auch unerreichbare Lied über die Liebe nun ausgerechnet mit dem Heiraten zu tun haben sollte. Wieder zuhause ergriff ich die Gelegenheit und nahm eine gute alte Tradition wieder auf. „Früher“ wurden ja noch Briefe geschrieben, mal ganz zu schweigen von Liebesbriefen. Paulus und seine Gemeinden hatten immer einen regen Briefwechsel und seine Briefe waren hier und da durchaus Liebesbriefe an seine Gemeinden.
Im Weltweiten Netz Gottes ist es ja möglich, Briefe durch Raum und Zeit zu senden. Das tat ich denn auch und schrieb einen Brief an Paulus.
„Lieber Bruder Paulus, vielen Dank für deinen Brief vom Jahr 55. Du hast uns darin ja vieles über das Zusammenleben der Gemeinde Gottes als Leib Christi geschrieben. Für diese wunderbaren Bilder danke ich dir sehr. Nun bin ich an dem Kapitel über die Liebe hängen geblieben und hätte da noch ein paar Fragen an dich. Vielleicht habe ich diesen Abschnitt zu oft im Zusammenhang mit Hochzeiten gehört, aber ich frage mich immer, was für eine Liebe du da meinst. Ich habe extra noch einmal nachgesehen: „agape“ nennst du diese Liebe. Wie stellst du dir diese Liebe, dieses Lieben vor? Ich habe noch sehr wenig Menschen getroffen, die das im ganzen Umfang in ihr Leben bringen können: „Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf… usw.“ Man bekommt dann immer diese tollen Beispiele von Mutter Teresa oder von Gandhi vorgeführt, oder von Dietrich Bonhoeffer. Aber wie sollen wir – sagen wir mal -„normalen“ Leute das schaffen? Diese bedingungslose Liebe, die nicht nach sich selbst schaut. Mal ganz abgesehen davon, dass es schon ein riesiges Stück Arbeit ist, sich selbst zu lieben. Oder die Nächsten. Lieber Paulus, mit deiner Steilvorlage komme ich nicht zurecht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du uns damit unter Druck setzen wolltest. Ich habe durchaus das Gefühl, dass du uns damit helfen wolltest. Könntest du uns das noch ein bisschen erläutern?
Mit herzlichem Gruß aus Bad Orb…
Unterschrift, Datum
Heiligtum der Liebe
Ich gab den Brief im Welweiten Netz Gottes auf und in der darauf folgenden Nacht erhielt ich per Traumexpress eine erste Antwort.
(Welche Antwort hätten Sie erhalten? Welche Bilder finden Sie?)
Im Untergeschoss eines Bahnhofs oder Einkaufszentrums konnte man ein Heiligtum besuchen. Es war das Heiligtum aller Religionen. Stellvertretend waren vier große Altäre aufgebaut. Für das Christentum gab es ein Kirchenschiff, an einem anderen Altar konnte man schon eine große Buddha-Statue golden leuchten sehen. Es herrschte einiges Gedränge. Die Menschen besuchten nach und nach alle vier Altäre, an manchen hielt man sich länger auf, betete auf verschiedene Weise, an anderen kam man mit den Nachbarn ins Gespräch. Es war eine ruhige Bewegung und sehr friedlich. In der Mitte war ein überdachter Brunnen, der symbolisch die Altäre versorgte. Jemand hatte Teppichboden über das Becken gelegt. Der Brunnen war groß genug, dass sich mehrere Menschen hineinsetzen konnten. Es floss kein Wasser.
Ich schrieb daraufhin am nächsten Morgen:
Lieber Bruder Paulus, vielen Dank für deine schnelle Antwort! Es hat mir sehr gut gefallen, wie friedlich die Menschen in diesem Heiligtum unterwegs waren. Es fühlte sich so selbstverständlich an. Jede und jeder konnte dort verweilen und beten, wo sein religiöses Zuhause war. Und konnte dabei die anderen so sein lassen wie sie sind. Es gab Interesse an einander, nachbarschaftliche Begegnungen, Neugier und eine Selbstverständlichkeit und Gelassenheit gegenüber dem Anderen und Fremden. Wenn ich mich in dieses Bild versenke, dann werde ich selbst ruhiger.
Mich hat allerdings verwundert, dass der Brunnen kein fließendes Wasser hatte. Ich musste sogleich an den Psalm denken „bei dir ist die Quelle des Lebens“ und irgendwie stelle ich mir die Liebe so vor, dass sie aus Gottes Liebe fließt. Und nun floss da gar nichts. Das hat mich doch sehr verwundert.
Könntest du uns das noch erläutern? Und ganz vorsichtig möchte ich dich noch fragen: was hat dieses Bild mit uns hier in Bad Orb zu tun. Wir leben hier doch eher in einem ruhigen Städtchen ein ganz normales Leben. Gewiss, wir haben immer wieder unseren Schaff, wir fragen uns, warum immer weniger Menschen zu uns in die Kirche kommen. Wir fragen uns, ob wir unsere Gemeindearbeit richtig machen, wir fragen uns, wie wir mit so manchem Menschen, der uns nicht passt oder uns verletzt hat, auskommen können. Und nachdem die Chinesen nun doch nicht hierher gekommen sind, ist uns auch der Buddhismus nicht näher gerückt.
Über eine baldige Antwort freue ich mich, mit herzlichem Gruß…
Ein leidenschaftlich Liebender
Die Antwort folgte auf dem Fuß. Diesmal gelang es ihm, eine direkte Leitung im Raum-Zeit –Kontinuum aufzubauen, eine Art Intranet für religiöse Angelegenheiten.
Und weil ich das erste Mal so direkt Kontakt hatte, spürte ich, was für ein leidenschaftlich Liebender dieser Paulus ist. Das hatte ich früher gar nicht gemerkt. Es war geradezu umwerfend spürbar, wie tief er sich in der Liebe Jesu Christi weiß und mit welcher Hingabe er Gott und Jesus und seine Schwestern und Brüder liebt.
Und nun zeigte er mir noch ein anderes Bild: es war ein Haus, eine Art Gemeindehaus mit vielen Räumen, in denen sich Gruppen treffen. Alte Menschen hier, Kinder dort, Jugendliche in einem anderen Raum, Menschen die Solo leben, einige Paare, und noch viele mehr. Und dann zeigte er mir, dass die Liebe die Kraft ist, die die Türen öffnet und Menschen miteinander verbindet Die Türen der vielen Einzelräume schwangen auf und die Menschen konnten in Bewegung kommen, sich besuchen, neugierig von einander lernen, gemeinsam Neues erfinden. Auch hier war dieser Friede spürbar. Wer hätte gedacht, dass diese Liebe, die „Agape“ so friedvoll ist.
Und einen Moment lang hatte ich das Gefühl, dass wir das können: einander so lieben, wenn wir den Tempel unseres Herzens betreten. Ohne Vorbehalte, ohne Wenn und Aber, ohne ein Bild davon, wie der Andere zu sein habe, ohne das Gefühl, dass wir es ja doch richtiger machen als die anderen. Und einen Moment lang, als ich aus dem Tempel des Herzens heraus unsere kleine Welt betrachtete, hatte ich das Gefühl, es sei möglich, dass das, was uns trennt, in den Hintergrund treten kann und das was uns verbindet, uns Friede finden lässt.
Paulus deutete auch an, dass die überfließende Liebe Gottes den Brunnen nicht mehr brauche, denn sie sei schon in uns. Wir würden das nur manchmal übersehen.
P.S.
Ich habe das Hohelied der Liebe noch einmal von hinten her gelesen. Das hätte ich gleich machen sollen. Paulus schreibt da: „Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.“. Gott sei Dank. Wir sind nicht perfekt. Unsere Liebesversuche gehen immer wieder schief. Und wir versuchen die Liebe, immer wieder. Und das ist völlig in Ordnung. Und wir sind geliebt. Von Gott. Immer.
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