„Ich will auch einen Segen“ – für den Ruhestand
Die Erstklässler kriegen heute einen. Täuflinge kriegen einen und ihre Familien. Konfirmierte Jugendliche kriegen einen. Frisch Getraute kriegen einen. Silber- und goldjubilarige Paare, wenn sie wollen. Den Segen. Und wenn wir sterben und jemand daran denkt, die Pfarrerin zu holen, werden wir auch ausgesegnet.
Mal abgesehen vom Erstklässlersegen sind dies unsere kirchenamtlich festgelegten Übergänge mit Segen. Sie machen die Veränderung sichtbar. Denn all dies sind einschneidende Umbrüche, die das Leben mit sich bringt. Das „Gute Wort“ (Segnen beutet im Lateinischen benedicere/ gut sprechen) und eine Berührung durch den Segnenden machen in diesen wackeligen Zeiten spürbar, dass uns Gottes gutes Wollen und Wirken als Kraft zur Seite steht. Wir empfinden den Segen als Stärkung. Er hilft Abschied zu nehmen und neu zu beginnen.
Unvermeidliche Übergänge in der zweiten Lebenshälfte
Und was ist mit all den anderen Übergängen? Der Auszug der Kinder: für sie selbst wie die Mütter und Väter ein einschneidendes Erlebnis. Das Ausscheiden aus einem Arbeitsverhältnis. Das Ende oder der Neubeginn einer Beziehung. Eine bevorstehende OP. Eine überstandene Krankheit. Das Ende des Arbeitslebens. Der Eintritt in den Ruhestand. Der Umzug aus dem Haus in eine kleinere Wohnung oder in ein Altenheim. In katholischen Gegenden ist es ja völlig normal, alles Mögliche zu segnen. Irische Segensheftchen und –kalender sind nach wie vor berechtigterweise ein Renner, weil sie so nah dran sind am Leben. Und die Motorbiker zeigen uns eine neue Tendenz, wenn sie beim alljährlichen „Anlassen“ den Reisesegen für die Saison empfangen.
Ganz unprotestantisch (schließlich bin ich in der Diaspora aufgewachsen, da kommt man nicht umhin, dass ein paar Dinge „abfärben“) will ich mal sagen: „Ich will auch einen Segen“ jenseits der amtlich festgelegten. Das war mein spontaner Wunsch bei der Geburt meines Kindes und eigentlich sind auch Schulkinder-Eltern segensbedürftig. Wenn ich höre, wie sehr es Eltern bewegt, wenn die Kinder endgültig auf eigenen Beinen stehen – dann will ich da auch einen Segen. Was für eine Aufgabe, das Leben überwiegend wieder selbst zu füllen und zu gestalten! Was für eine Aufgabe, für sich selbst zu sorgen und der Partnerschaft jenseits der Elternschaft wieder neue Farben zu geben.
Und wie viele Männer und Frauen mäandern zu Beginn des Ruhestands durch Haus und Garten, „was mach ich jetzt wer bin ich jetzt und was machst du denn hier?“ Da will ich auch einen Segen, der mir hilft, die neue Richtung zu finden.
Den Segen mitnehmen – noch besser: wir erfinden Ruhestandssegen selbst
Den Bikern ist es nicht zu peinlich, sich einen Segen auf den kurvigen Weg mitzunehmen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass viele Pfarrerinnen und Pfarrer Ihnen einen wunderbaren Segen geben würden, wenn Sie denn fragten. Ich würde gerne eine neue Tradition beginnen. Den Kinder-aus-dem-Haus-Segen. Den Ruhestands-Segen. Den Umzug-in-meine-vermutlich-letzte-Wohnung-Segen. Es kann, muss aber nicht die Pfarrerin sein. Schließlich haben wir das Priestertum aller Gläubigen. Wie wäre es, wenn die Besuchsdienstfrauen, den Haussegen gestalten, die Ruhestandskollegen den Ruhestandssegen, die älteren Freunde den Kinderfrei-Segen. Das würde ich mir gerne mit Ihnen gemeinsam ausdenken, erfinden, die guten Worte finden und die Berührung, die angemessen ist.
Wer macht mit? ( Sie können hier einen Kommentar hinterlassen, den ich freigeben muss. Wenn Sie Ihren Kommentar nicht öffentlich machen wollen, schreiben Sie mir dies bitte dazu.)
Eine die schon lange lebensbegleitende Segen schreibt, ist Hanna Strack, Pastorin i.R.. Ihre Segen für Frauen habe ich jetzt online entdeckt (s.u.). Der Ruhestandssegen „Segen für eine neue Zeit“ ist sehr schwungvoll! Für Männer müssen wir vermutlich noch selbst schreiben. Wir fangen ja eben erst an.
Segen für eine neue Zeit
Lass die Arbeitszeit hinter dir,
setze dich zur Ruhe!
Lass einen anderen Rhythmus in dein Haus,
öffne dem frei strömenden Segen
Türen und Fenster!
Tanze und springe!
Pfeife und lache!
Phantasiere und träume!
Lass den frei schwebenden Segen
die Räume füllen,
lass ihn in den Keller, unters Dach!
Jetzt ist die Zeit
für die Weite des Herzens,
für die Flügel der Sehnsucht.
Öffne dem frei fließenden Segen
dein Herz!
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