Der Blog für die zweite Lebenshälfte

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Ein Film über die Selbstbestimmung am Lebensende

Veröffentlicht in: Allgemein, Andacht/ Spiritualität, Bücher/Filme, Endlichkeit, Ideen für Gruppen

Ein Film über die Selbstbestimmung am LebensendeSatte Farben vor Schwarz mit Senta Berger und Bruno Ganz, Regie Sophie Heldmann

„Redet doch endlich!“ möchte man der Familie zuschreien. Stattdessen stille Bilder. Auf- und abblenden in Schwarz für ein Drama, das sich ruhig aber eindringlich entwickelt. Fred, Ende 60, hat Prostatakrebs. Seine Frau Anita, mit der er sein Leben lang zusammen war, ist sauer. Stinksauer, entsetzt, verletzt. Denn der Mann, den sie liebt, macht alles mit sich alleine aus. Er nimmt sich heimlich eine Wohnung zum Nachdenken. Er wandert perfekt gekleidet ins Büro, wo er seinen Sessel und Schreibtisch immer noch nicht geräumt hat. Man versteht es fast, denn der Ruheständler hat es sich da gemütlich gemacht. Und was ist das Leben ohne Arbeit? Seine Frau entdeckt das alles und geht in die Offensive. Wildem Wüten im Garten folgt ein trotzig depressiver Einzug in Betreutes Wohnen für die gehobene Rentenklasse. Mit nur einem Koffer und einem Buch.

Zwischendrin hat die Tochter ein zweites Mal geheiratet, die Enkelin die Brautvaterrede selbst gehalten und ihr Abi gemacht, während das Turtelpaar auf Hochzeitsreise ist. Der Sohn, zur Hochzeit eingeflogen, bricht das Schweigen und erzählt der Schwester von der Krankheit. Diese wiederum wird sich ihr Wissen ergoogeln und sagen: dieser Krebs ist behandelbar. Fred jedoch: „Ich will die Zeit, die mir verbleibt nicht als Patient verbringen.“ Dieser Satz geht tief und  nach. Hat man doch schon Vertraute und Bekannte gegen Krankheiten kämpfen – und verlieren – sehen.

Und ein zweiter Satz bohrt sich ins Gedächtnis: „Wir haben über das Ende gesprochen, aber nie über die Zeit davor.“ Was genau er damit meinen könnte, entfaltet der Film nach und nach.  Stille Meditationen des alternden nackten Körpers. Eine innige Liebesszene: die erste seit langem, in der ich nicht wegschauen mochte, weil sie so voller Zärtlichkeit und Leichtigkeit war. Eine Abifeier mit lustigem Tanzen. Eine Entscheidung – gemeinsam aus dem Leben zu gehen.

Wir werden in die Entscheidungsprozesse nicht einbezogen, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt. Wie die Kinder auch. Das macht mich wütend. Aus der Tochterperspektive finde ich die Entscheidung skandalös und selbstsüchtig. Man kann es auch selbstbestimmt nennen. Und genau hier vermag der Film eine Kontroverse in Gang zu setzen, die sich lohnt.
Er lässt mich nicht so entsetzt zurück wie „Wolke 9“ mit seinem schuldlastigen Ende. Sauer bin ich schon: diese perfekten Menschen in einer reichen Welt, die sich nicht vorstellen können, einmal nicht mehr schön und unabhängig zu sein. Dann lieber vorher gehen? Was nehmen sie sich selbst? Und ihren Kindern, wenn sie sie aus den tiefen Erfahrungen und Entscheidungen heraushalten? Oder haben Eltern ein Recht auf Geheimnisse?

Ein toller Film, großartige Schauspieler. Die Bilder intensiv, ohne dass die Betrachterin in das Gefühl kommt, voyeuristisch zu sein.  In der Tat satte Farben.

Weitere interessante Informationen über die Hintergründe dieses Erstlingswerkes von Sophie Heldmann bei Zeit.de


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