Der Blog für die zweite Lebenshälfte

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Ein Liebeslied für meine Nachbarn

Veröffentlicht in: Allgemein, Andacht/ Spiritualität, Endlichkeit, Geronto-was? Theorie ganz praktisch, NACHmachBAR

Ich habe einen Raummeter Brennholz gewonnen. Keine Ahnung, wieviel das sein mag. Ich selbst habe gar keinen Kamin. aber meine Nachbarin, Frau O., die hat einen. Auf einem Gartenfest gab es ein Preisausschreiben einer Gärtnerei. Man sollte das Alter einer Baumscheibe schätzen. Ich wich mit meinem Vorschlag nur 1 Jahr ab. 91 Jahre hatte der Baum auf der Wurzel gehabt.
Für mich selbst habe ich in meinem Leben erst einmal etwas gewonnen. Diesmal dachte ich beim Zählen der Jahresringe an Frau O. und dass sie sich sicher über ein bisschen Holz freuen würde.
Sie freut sich! Wir haben herzlich im Treppenhaus gelacht , als ich meinen Erfolg gleich noch brühwarm der anderen Nachbarin erzählte.
Aber der eigentliche Gewinn ist, dass ich mich nach 5 Jahren „Guten Tag – und sonst nichts“ eines Tages entschloss, Frau O. ein Stück Kuchen vorbei zu bringen. Sie liebt Kuchen, wie ich bei dieser Gelegenheit erfuhr. Und nun geht es hin und her zwischen den Türen, mal mehr mal weniger. Sie schneidet mir inzwischen die Haare, weil sie im Ruhestand doch noch mal einen kleinen Heimsalon eröffnet hat. Sie schenkt mir immer mal eine herrliche Kopfmassage. Ich habe ihr schon oft beim Schlüsselfinden geholfen und in der nächsten Kälteperiode werde ich mich mal zum Füße  wärmen bei ihr einladen. Im Gegenzug probiert sie unerschrocken meine neueste Suppenkreation beim Spontanessen.

Anstoß zu mutigeren Begegnungen hatte Herr L. gegeben. Mit 82 war er Witwer geworden und brachte mir eines Tages leckersten Toast mit Krabben vorbei, den er gerade in seinem Kochkurs für Singles gelernt hatte. Von ihm habe ich auch die Figürchen für den Weihnachtsbaum. Vor seinem Tod räumte er fleißig aus und verteilte seine Schätze. Den Entschluss, Frau O. näher kennen zu lernen, hat sein Tod voran gebracht. Denn wir haben nicht ewig Zeit. Dafür jede Menge Schätze und Gaben, die hinter den Türen der Nachbarschaft vor sich hin schlummern.

Das Buch „Leben und Sterben wo ich hingehöre. Dritter Sozialraum und neues Hilfesystem“ von Klaus Dörner hat mich nachhaltig beeindruckt. Er schreibt, dass jeder Mensch einmal hilfebedürftig ist und dass zugleich jeder Mensch gleich welchen Alters auch helfensbedürftig sei. Allein dieser Satz kann das ganze Wertesystem von Hilfe und Pflege umstoßen. Hier wird nur noch auf Augenhöhe gehandelt.
Dörner schreibt auch, dass jeder Dritte bereit sei, sich für andere zu engagieren. Man muss ihn/sie nur fragen. Und das gehe nur mit Klinkenputzen.

Und so fange ich nun mit meinem kleinen Projekt „Lebendige Nachbarschaft“ langsam an, aus dem Haus heraus über die Straße zu gehen. Erstaunliche Ergebnisse: Freundliche Menschen – und an der legendären dritten Tür erhielt ich nicht nur einen Akkuschrauber, sondern auch das Angebot des dort lebenden Ruheständlers, mir bei handwerklichen Dingen zu helfen. Ich war hilfebedürftig und hatte gleich ein paar Anliegen, die wir nach und nach in aller Ruhe abarbeiteten.

Mein nächster Schritt könnte ein Straßenfestchen sein. Mit Grillen. Auch wenn ich davon keinen blassen Schimmer habe. Da hätte ich richtig Lust drauf. Es wird sich schon jemand auskennen…


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