Der Blog für die zweite Lebenshälfte

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Anna von Monkiewitsch – Allzu menschliche Wesen

Veröffentlicht in: Älterwerden (im Selbstversuch)

Anna von Monkiewitsch - Allzu menschliche WesenUnsere Aktuelle Ausstellung im ebz: „Wolken-Wesen-Wände“ noch bis zum 17.7.2012 zu sehen i.d.R. täglich 9-16 Uhr, sonntags bis 15 Uhr. Würzburger Str. 13, Bad Orb. Hier meine Gedanken zu den „Wesen“
Alte schöne Rahmen, manche schon etwas abgeblättert oder angeknackst. Papier aus alten Kassenbüchern. Darauf gezeichnet Männer und Frauen oder soll ich sagen „Männlein und Weiblein“? Paare jedenfalls, denn die Figuren stehen auf vielfältige Weise in Beziehung zueinander. Die Linien umreißen die wesentlichen Formen des männlichen und weiblichen Körpers. Dort wo ein Arm oder eine Hand notwendig ist, werden sie zusätzlich angedeutet, sofern sie nicht zur Kontur gehören. Was nicht unbedingt nötig ist, wird weggelassen. Unsere Augen werden hier aufs Wesentliche geführt.Anna von Monkiewitsch - Allzu menschliche Wesen

Wir sehen nicht die glatten Striche einer klassischen Aktzeichnung. Die Linien verlaufen eher etwas krakelig, verlieren sich auch einmal im Offenen, es können dann auch mal ganze Gliedmaßen fehlen.  Liebevoll blickt das weibliche Wesen, zärtlich verschämt das männliche. Eine Wärme im Blick, die mich davon ablenkt, dass wir hier es in keinster Weise mit Schönheit im herkömmlichen Sinne zu tun haben. Diese zwei hier mögen sich wirklich sehr.
Mit den Bildern der Ausstellung können wir Geschichten spinnen von Paaren, die sich mögen, sich lieben, sich neugierig erkunden, sich necken, sich zoffen, sich küssen, ineinander verschmelzen, nicht voneinander lassen können. Spielarten der Liebe und Zärtlichkeit. Ich lese all diese Zeichnungen natürlich auch im Kontext unseres Hauses, in dem die Perspektive der zweiten Lebenshälfte den Blick schärft.
Anna von Monkiewitsch - Allzu menschliche WesenUnd dadurch werden mir diese Persönlichkeiten noch sympathischer. Denn hier kann ich die Diskussion um das Körperbild im Älterwerden noch einmal ganz anders führen. Bei allem Guten das wir durch Bewegung und Sport für unser Älterwerden tun können und müssen, haben wir hier auch ein Plädoyer vor Augen für den knitterig werdenden Körper, der hier und da aus der Form gerät.
Wenn wir je perfekt waren: im Älterwerden können wir diesen Anspruch endlich auch mal gehen lassen. Es tut unserer Beziehungsfähigkeit keinen Abbruch.

Werfen wir einmal einen zärtlicheren Blick auf unser eigenes Älterwerden. Ich höre es immer mal wieder: „Älterwerden ist Mist“, „mein alternder Körper macht mir zu schaffen“. Tag für Tag nehmen wir Abschied von dem knackigen glatten Körper, der wir einmal waren und kommen den krakeligen Linien dieser Figuren hier näher.
Wir brauchen nichts Perfektes für das was Wesentlich ist. Für mich sind dies hier reife Persönlichkeiten, die das Spiel nicht verlernt haben. Das Spiel von Nähe und Distanz, von Locken und Lassen. Das Spiel der Sexualität, die so viel mehr ist als ein Akt, sondern ein Geben und Nehmen, ein immer wieder neu entdecken und genießen.Anna von Monkiewitsch - Allzu menschliche Wesen

Wir dürfen mit den Augen und dem Herzen an diesem Spiel teilhaben, ohne dass es peinlich ist. Wir zeigen im ebz zum ersten mal „Nackt-Bilder“ und sie kommen mit einer Selbstverständlichkeit daher, dass es einem kaum auffällt. Und wo es auffällt, da gehört es einfach dazu.

Natürlich können Sie mir jetzt vorwerfen: Frau Zander sieht wieder mal in alles das Gute hinein. Das mag sogar stimmen. Ich kann mir vorstellen, dass manch ein Betrachter diese Zeichnungen als verstörend empfindet. Sie können jetzt schnell vorbeigehen und nach etwas Glatterem Ausschau halten. Das finden Sie aber im Schlafzimmerspiegel zu Hause auch nicht vor. Insofern, nehme ich mir aus diesen Zeichnungen eine gehörige Prise Humor mit, Keckheit und Genuss. Zutaten für ein glückliches Leben, ganz gleich in welchem Alter man gerade steckt.


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