Das Jahr ausatmen
Ich habe in meinen alten Advents-Blogeinträgen nachgesehen und so eine melancholische Note gefunden. Ich stelle fest: sie ergab sich nicht aus den „früher war alles schöner“ Gedanken, die sich im Advent und an Weihnachten ja auch gerne einstellen. Die Melancholie ist eher der Erschöpfung am Ende eines langen anstrengenden Jahres geschuldet. Alle Jahre wieder.
Auch bei Ihnen geht ein Jahr zuende. Und die Frage ist: Quäle ich mich durch den Rest der Tage dieses Jahres? Mache ich daraus einen Marathon, für den ich zu wenig trainiert habe? Wird Weihnachten zu einer Gewicht-Stemm-Aktion mit Familienanschluss?
Bei diesen Bildern halte ich den Atem an, presse ihn stoßweise heraus. Das ist anstrengend. Der Körper verspannt sich noch mehr.
Wie wäre dies: atmen Sie tief ein, atmen Sie mit einem Seufzen wieder aus, warten Sie bis der Impuls zum Einatmen von selbst kommt und während Sie wieder ausatmen lesen Sie…
Das Jahr ausatmen
so strömt der Jahresatem aus
gemächlich
in das immer Dunklere hinein gebettet
ich lasse meine Lungen los
der Herzraum hebt und senkt sich
legt sich auch zur Ruhe
das Jahr ausatmen
mit allem was war
mit Seufzen und Weinen
Gelächter und Gesang
Warten – eine Atempause lang
bis es mich wieder atmet
ganz von selbst
und ohne Mühe
(Annegret Zander)