„Welche findest du am hübschesten?“, fragt meine 8-jährige Mitleserin als wir zum dritten Mal intensiv das Bilderbuch „Alte Damen“ von Franziska Kalch studieren. Für diese junge Dame ist das momentan ein wichtiges Kriterium und – ach – es hört ja doch nicht auf, dass frau vor dem Spiegel steht und dies und das versucht, um hübsch, schön oder so was ähnliches zu sein.

Hier tummelt sich nun also ein quirliger Pulk von fünf besagten alten Damen durch die Seiten, mit einem so lebensatt vergnügten Lächeln, dass man sie immer wieder anschauen mag. Drei weiße Frauen, eine schwarze, eine asiatische Frau, alles zwischen üppig und  zart, mit und ohne Rollstuhl mobil, umschwirrt von allerlei Getier, sind fein und – wild!

Franziska Kalch hat aus Kindermund-Worten über alte Damen Bilder hervorgezaubert, wie wir sie uns normalerweise nicht vorstellen. „Alte Damen sind enorm vernünftig und haben furchtbar viel Lebenserfahrung. Das lassen sie sich aber nicht immer anmerken.“  Diese fünf fegen über den Spielplatz, schrubben sich in der Badewanne, wählen tolle Dessous, haben heimliche Liebhaber und – mein Lieblingsdetail: eine kleine nackte Amazone auf der Kühlerhaube der Ausflugskarosse, Brüste nach vorne gereckt, den Wind in den Haaren.

Es ist ein Kinderbuch. Schließlich tauchen auch noch Enkel auf, für die gebacken und denen gemütlich erzählt und vorgelesen wird. Empfohlen hat es mir meine wunderbare Buchhändlerin, die selbst in der zweiten Lebenshälfte sich nun doch immer wieder  fragt, wie wohl ihr Alter aussehen mag, aussehen soll. An manchen Tagen, so sagte sie mir zu diesem Buch, macht es sie fröhlich und an manchen Tagen melancholisch. Die Freiheit, die aus den Bildern weht tut gut. Und frau fragt sich: will ich eine alte Frau oder eine alte Dame sein?

Eine Frage und ein Buch, mit dessen Hilfe man wunderbar über die eigenen und die fremden Altersbilder ins Gespräch kommt. Mit jeder Altersgruppe.