Der Blog für die zweite Lebenshälfte

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86-jährige Koreanerin Lee Ok-Seon berichtet als eine der letzten Zeitzeuginnen von ihrem Leben als Sexsklavin

Veröffentlicht in: Allgemein
86-jährige Koreanerin Lee Ok-Seon berichtet als eine der letzten Zeitzeuginnen von ihrem Leben als Sexsklavin

Die Energie von Frau Lee Ok-Seon beindruckte die Gäste der Veranstaltung zum Schicksal der Trostfrauen. Auf dem Foto die Gastgeberinnen des Landesverbands Evangelische Frauen in Hessen und Nassau e.V. (von links) Pfarrerin Karin Böhmer, Frau Lee Ok-Seon, Monika Bertram, stellvertretende Vorsitzende des Vorstands und Elke Seipel, Referentin EFHN.

„Ich habe es überlebt“, so der Titel der Presseinformation der Evangelischen Frauen in Hessen und Nassau, die im Wortlaut folgt. Ein Beispiel echter Aufarbeitung.

DARMSTADT, 3.9.2013. Die Koreanerin Lee Ok-Seon war 17, als sie vom japanischen Militär entführt wurde. Nun, fast 70 Jahre später, ist die 86-jährige eine der letzten Überlebenden der sogenannten „Trostfrauen“, wie die Zwangsprostituierten des japanischen Militärs im Asien-Pazifik-Krieg (1937-1945) genannt wurden. Sie ist nach Deutschland gekommen, um über ihr Schicksal zu sprechen und damit ihren Teil zur historischen Aufarbeitung zu leisten. Bis heute gibt es weder eine Entschuldigung der japanischen Regierung noch Entschädigungen für die Opfer dieses militärischen Verbrechens.

Pfarrerin Karin Böhmer und Elke Seipel, beide Mitarbeiterinnen des Landesverbands Evangelische Frauen in Hessen und Nassau (EFHN), begrüßten am 29. August im Katharina-Zell-Haus in Darmstadt rund 50 Gäste, darunter viele junge Koreanerinnen. Alle erheben sich respektvoll, als die alte Dame den Raum betritt. Sie wird begleitet von Frau Han, der Vorsitzenden des Korea-Verbands e.V., dem japanischen Fotographen Tsukasa Yajima und weiteren Mitgliedern des Korea-Verbands. Die Veranstaltung beginnt mit der Vorführung des Dokumentarfilms „63 Years on …“. Dieser preisgekrönte Film zeigt, welchen Alptraum diese Opfer von sexueller Gewalt erlebten, die sich 63 Jahre lang vor Scham niemanden anvertrauten. Er zeigt aber auch den Weg von Kim Hak-Soon, die als erste im Fernsehen das Schweigen durchbrach und Forderungen an die japanische Regierung stellte, sowie die internationalen Reaktionen darauf.

Der Film macht betroffen und sprachlos, einige Zuschauer_innen kämpfen mit den Tränen. Für alle fasst Karin Böhmer ihre Betroffenheit mit den Worten zusammen: „Es ist furchtbar, was diese Frauen erlitten haben und es ist wichtig, dass wir ihre Geschichten hören und öffentlich machen, damit ihr Schicksal nicht in Vergessenheit gerät“ und leitet zu dem Gespräch mit Lee Ok-Seon über. Frau Lee Ok-Seon berichtet, trotz ihres hohen Alters mit einer sehr klaren Stimme von ihrem Schmerz und ihrer Scham. Sie gestikuliert kraftvoll, um ihre Aussagen zu unterstreichen. Frau Han übersetzt einfühlsam und kompetent. Einige der anwesenden Koreanerinnen wollen nicht abwarten, sie nehmen direkt Kontakt zu Frau Lee auf und übersetzen dann selbst ins Deutsche, was sie Frau Lee Ok-Seon sagen: sie bewundern sie als Vorbild und erklären sich mit ihr solidarisch und ihrem Kampf für eine Entschuldigung und Wiedergutmachung.

Es ist eine wirkliche Begegnung und Aufarbeitung von Geschichte, die hier passiert. Wie kann es geschehen, dass in japanischen Schul- und Geschichtsbüchern das Kapitel der „Trostfrauen“ völlig ausgespart und bis heute geleugnet wird, da es angeblich keine „Beweise“ gibt? Frau Lee Ok-Seon ist ein Beweis: „Ich habe überlebt, es war wie in einem Schlachthaus“, sagt sie.

Die Zeit war schon weit vorangeschritten, bis der angekündigte dritte Beitrag der Veranstaltung beginnen konnte. Die Fotopräsentation „Von Angesicht zu Angesicht“ mit Portraits und Gesängen von „Trostfrauen“ wurde von dem anwesenden japanischen Fotographen Tsukasa Yajima erstellt. Er lebte drei Jahre in Korea in einem Wohnprojekt „Haus des Teilens“ mit Zeitzeuginnen zusammen. Als Nachkomme der Tätergeneration war er mit dem Schweigen seines Großvaters konfrontiert worden. In seiner Zeit in Korea setzte er sich intensiv mit der Geschichte der „Trostfrauen“ auseinander. Seine künstlerische Verarbeitung des Themas bringt den Zuschauenden diese mutigen Zeitzeuginnen „Von Angesicht zu Angesicht – auf gleicher Augenhöhe“ näher. Ein versöhnlicher Ausklang am Ende dieses atmosphärisch dichten Abends, der sicher allen Teilnehmenden in Erinnerung bleiben wird.

Zu der Veranstaltung „Vergesst nie, was passiert ist“ mit Filmvorführung, Begegnung mit Lee Ok-Seon und Fotopräsentation hat der Landesverband Evangelische Frauen in Hessen und Nassau e.V. in Kooperation mit dem Korea-Verband e.V. eingeladen. Beteiligt waren auch der Partnerschaftskreis Korea der Propstei Rhein-Main und das Zentrum Ökumene der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.

Weitere Informationen und Links zum Thema „Trostfrauen“: www.koreaverband.de Dort ist auch unter „laufenden Initiativen“ der direkte Link zur „100 Millionen-Unterschriften-Kampagne für die Lösung der „Trostfrauen“-Frage“ zu finden.

Foto: Rosel Tews

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