Der Blog für die zweite Lebenshälfte

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Filmtipp: Sein letztes Rennen

Veröffentlicht in: Andacht/ Spiritualität, Bücher/Filme

Filmtipp: Sein letztes RennenDidi Hallervorden war doch dieser Komiker aus meiner 70er-Jugend. Dieses süffisante schräg lächelnde Einatmen mit Zungenschleck hat sich in mein Bildgedächtnis eingeprägt. Ich fand ihn immer ein bisschen befremdlich, wenn man jung ist, kapiert man ja die ganzen Erwachsenenwitze nur halb. Palimpilam.

Und nun dieser alte Mann mit dem unglaublich gepflegten weißen Bart, dem kräftigen und ausgeleierten Körper und den unendlich weichen Augen. Ich war nur halbherzig in „Sein letztes Rennen“ gegangen, hatte eigentlich „Der Geschmack von Apfelkernen“ sehen wollen und dachte,“na, wird´s halt lustig werden.“. Und nun heulte ich mir die Augen aus. Sattsam bekannt und vorhersehbar die Story: altes Ehepaar kann nicht mehr im Haus der Liebe wohnen, nein, es herbstet (gähn – wie lange müssen wir uns dieses Symbol für das Alter noch ansehen?), man fällt. Die Tochter kann das nicht mehr allein stemmen. Papa ist auch ein bisschen eigen. Nun geht es doch ins Heim. Verdammt das ist doch die Geschichte, die jeden Tag wieder passiert, nur ohne Sieg und Happy End.

Diesmal ist das Altenheim eher eine Pflegeresidenz, außen 70er, innen 21.Jahrhundert, Marke  5 Sterne Hotel mit Rohbetonhalle plus Edeldunkelholzmobiliar im Speisesaal mit den festen Sitzplätzen – und einer Stein-Deko Wand hinter dem Pflegebett. Sehr sympathisch ist die Mischung an BewohnerInnen, die das Casting hier hinbekommen hat. Ganz normale alte Leute und dazwischen ein paar Typen, die der Zuschauerin und schließlich auch einander nach und nach ans Herz wachen. Und mein persönliches Highlight: Tusch! Dorothea Laubenthal, die Heilpraktikerin, die ich hier im Blog schon öfter portraitierte, mit über 8o nach Berlin umgesiedelt und so zum Theater und Film gekommen. Mal sehen, ob sie mir etwas vom Filmdreh erzählt. Sie singt im Chor mit, der sich regelmäßig zum Volksliedersingen trifft, sitzt in der Kapelle mit Parkblick wo die Heilpädagogin so herzergreifend einfühlsam predigt, dass einem schlecht wird, weil man denkt: geh endlich raus aus meinem Space! Unser Held Paul Averhoff/Hallervorden setzt das ja dann auch in die Tat um.

Averhoff, der Marathon- Olympia Sieger von 1956, die Legende, seine Frau, die ihre Rolle als seine Trainerin wieder findet und die jungen und alten Unterstützer und Fans, sie wachsen einem echt ans Herz. Sie sind wunderbar zart, witzig, lebendig zwischen all den Pflegeklischees. Selbst in der Tochtergeneration fühle ich natürlich mit der Tochter, der schönen Brigitte/Heike Makatsch, die in ihrem Leben beinahe verloren gegangen ist. Sie wird sich wiederfinden. Es geht gut aus. Auch wenn uns der Film den Tod nicht erspart. Aber auch dieser wird ,wie die alte Liebe, zart ins Leben hinein genommen.

Averhoff stemmt sich gegen den neuen entwürdigenden Alltag. Leute, Kastanienmännchenbasteln fürs Herbstfest. Da wird auch mir bange. Da will ich auch lieber mitrennen und mich an dem festhalten, was mich mein Leben hindurch getragen hat. Bei Paule ist es das Laufen. „Wer stehen bleibt, hat schon verloren.“ So läuft er, rennt erst gegen, dann mit einem jungen Pfleger, rennt um sein Leben, diesen Marathon, der Schmerzen und Glück gleichermaßen bereitet.

Als Seelsorgerin habe ich besonders bei den überraschend vielen Szenen gewinselt, in denen Seelsorge bis zum Anschlag gekonnt betrieben wird. So nah dran an der Realität, dass ich diesen Film all jenen anempfehle, die alte Menschen auf diese Weise begleiten. Es gibt definitiv eine Grenze von Einfühlung. Irgendwann muss es auch wieder handfest werden, sonst ist das Alter ja nicht auszuhalten!

Nicht auszuhalten ist auch der Soundtrack, der alle Musikklischee-Register zieht, die man sattsam kennt aus Dokudramas (die typischen leeren Klavierakorde á la Arvo Pärt), Schmachtfilmen (die Glocke schlägt- es dräut der Tod) und amerikanischem Footballdrama  mit großen Violinen, Pauken und Posaunen im Olympiastadion. Also, wenn man das alles mal abzieht, dann ist es dennoch gut, diesen Film, diesen Hallervorden, diese tollen knitteralten Leute und ihre heimlichen jungen Bewunderer zu sehen. Es sind die kleinen leicht zu übersehenden Kontaktmomente zwischen Jung und Alt und das facettenreiche Mienenspiel, die diesen Film sehenswert machen.

Und trotz allem Kitsch und trotz aller Haudrauf-Theologie, ist es ein Auferstehungsfilm. Im Schmerz und im Abschied die Leidenschaft wieder zu finden und zu leben, das steckt an.


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