„Rechi“, das Bürgerauto – mobil im Alter
Friedemann Binder war im Stuttgart hauptamtlich innovativ in der Arbeit mit Älteren tätig: er leitete den „Treffpunkt Senior“. Ich kenne ihn aus der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Altenarbeit (EAfA) – meinem Lieblingsgremien, denn hier sind lauter interessante kreative Menschen zusammen.
Im aktuellen Info-Brief der EAfA schreibt er:
Ein flüsterleises Elektroauto und steht seit Oktober in unserer Berg-und-Tal-Gemeinde als Bürgerauto im Dienst der älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger. 15 ehrenamtlich engagierte Damen und Herren (meist Senioren) teilen sich die Fahrdienste tageweise (Mo – Fr von 8 bis 18 h). Das Einsatzgebiet ist – in Absprache mit den Taxiunternehmen – auf die Gemarkung beschränkt. Eine Fahrt muss spätestens am Vortag bestellt werden und kostet die Nutzer 1,50 € /einfache Strecke.
Nachdem ich aus dem EAfA-Vorstand ausgeschieden bin, habe ich mich jetzt also in der lokalen Seniorenarbeit verdingt und mich dem Rechi-Fahrer/innen-Team angeschlossen. Gleich meine erste Fahrt war spannend und lehrreich zugleich: Im Auftragsbuch stand „14.30 h Frau NN, Panoramaweg … zum Alexanderstift“ (örtliches Pflegeheim) – „17.30 h wieder zurück“. Als ich 5 Minuten vor der Zeit vorfuhr, stand eine Dame mit Krückstock schon erwartungsvoll vor dem Haus, stellte sich vor, betonte, dass sie 93 sei, wegen eines häuslichen Unfalls aber die mit ihr zusammenlebende 3 Jahre jüngere Schwester leider in Kurzzeitpflege habe geben müssen und sie jetzt eben täglich besuche. (Tatsächlich fand ich den Auftrag täglich im Fahrtenbuch). „Und nachher, wenn Sie mich wieder abholen, müssen wir einen kleinen Umweg fahren .“ bereitete sie mich am Stift schon auf die Rückfahrt vor. „Post und Bank und kurz zum Lidl“ präzisierte sie dann beim Wiedereinstieg. Kein Problem. Auf dem Parkplatz beim Discounter reichte sie mir einen Chip für den Einkaufswagen und bat mich, ihr diesen doch zu holen. Meiner Bemerkung bei Übergabe des Wagens, ich warte hier draußen, widersprach sie heftig: „Nein, Sie gehen mit rein!“ Kein Wunder, denn die Einkaufliste war, wie sich zeigte, ziemlich lang und enthielt Positionen, die offensichtlich nicht für sie selber vorgesehen waren. „Wissen Sie, klärte sie mich unterwegs auf, am Wochenende kommt mein Sohn mit einem Enkel und denen muss ich doch was bieten .“. So ist der Wagen recht voll und schwergängig geworden, sodass ich ihn selbstverständlich in Richtung „Rechi“ steuern wollte … Blitzschnell griff sie aber außerhalb des Ladens mit der krück-freien Hand nach dem Wagen und frug ziemlich energisch „Darf ich jetzt mal?“. Natürlich durfte sie. Ich hab sie einfach unterschätzt. Aber sie hat sich gewehrt .
Wer sich sich noch für ein paar Organisationsdetails des Bürgerautos interessiert: Ein Mobiltelefon mit Anrufspeicher fährt mit. Die Anrufe werden von den Fahrer/innen (nicht während der Fahrt!) ins Fahrtenbuch eingetragen. Bei Dienstschluss werden Fahrer bzw. Fahrerin des Folgetages telefonisch über ihren Dienstbeginn informiert, das Auto – je nach Batteriestand an der Ladestation aufgeladen oder gleich in der Rathausgarage geparkt. Schlüssel und Mobiltelefon werden in einem Safe deponiert, aus dem sie am anderen Morgen mittels eines Codes entnommen werden können.
Den reich gefüllten EAfA Info-Brief finden Sie hier
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