Tanztheater am Rande der Gruft
Feuer, Erde, Wasser – Gruft. Tage der Entscheidung. Das Tanztheater-Stück machte am Samstag Station in Korbach. Weitere Aufführungen in Korbach (28.3.) und Bad Arolsen (18.4.)
Ich habe ziemlich viel gelacht! Das passiert mir öfters bei den schwierigen Lebensthemen. Wo die Schwere ist, ist oft auch das Leichte nicht weit. Dabei haben die Tänzerinnen und Tänzer das Thema “Sterben” nicht auf die leichte Schulter genommen. Alle haben Erfahrungen mit dem Tod, standen an Gräbern, versuchten mit dem Partner über die eigenen Wünsche zu sprechen oder mussten die Hölle der Entscheidungen für eine Beerdigung nicht nur durchleben sondern auch bezahlen.
“Nach zwei Stunden intensivem Reden mit der Gruppe stand das Stück”, so Ursula Nobiling, die eine Tanzschule in Korbach führt. Ziemlich eindrucksvoll ist die Eröffnungsszene, in der auf einem Friedhof eine klassische Golgotha -Szene plötzliche Verwandlungen durch Passanten erfährt. Der Tod und seine Schrecken verschwinden systematisch aus dem Bewusstsein und werden mit Nichtigkeiten und Alltäglichem gefüllt.
Sehr berührend fand ich die Szene, “Trauer in Deutschland”, in der eine trauernde Frau mit sehr kleinen aber ausdrucksstarken Wiegebewegungen ihrer Verzweiflung Ausdruck gibt. Sie tauscht ihre bunten Kleider gegen schwarze. Viele Trauernde kennen, was nun geschieht: unbeholfene Kondolenzversuche, echte trostreiche Begegnungen zu Beginn, doch im Laufe der Zeit rennen die anderen wieder geschäftig umher, während sich die Trauernde immer noch langsam in ihrer Trauer wiegt. Dann beginnen die Übergriffe, hier im wahrsten Sinne des Wortes. Die Passanten reißen an der Trauernden, zerren ihr die Trauerkleider vom Leib, zwingen ihr schließlich ein Stück Farbe auf. Doch sie ist noch längst nicht bereit. Das Tempo der Trauer ist ein anderes als das der Gesellschaft, die gnadenlos weiter geht.
Wie schön wäre es zu sehen, wenn auch andere das Tempo der Trauernden aufnehmen würden. Ein wenig geschieht das am Ende des Tanztheater Abends, wenn weiß gekleidete Menschen die in schwarz gekleideten behutsam berühren und bewegen. Doch – für meine Begriffe – allzu schnell entwickelt sich daraus ein lebenslustigerTanz. Hier hätte ich den TänzerInnen mehr Mut zur Langsamkeit gewünscht. Und auch einen Blick aus der Anklage in die Vision, in der ein anderer Umgang mit Trauernden und dem Sterben gelebt wird, ohne vorschnell ein “Happy End” zu brauchen.
Aber hier bin ich auch zu spitzfindig. Ich finde es großartig, dass Ursula Nobiling und ihr Ensemble sich an das Thema auf so vielfältige Weise heranwagen. Sie tanzen ausdrucksstark. Die 17 TänzerInnen im Alter zwischen 30 und 65 können sich zeigen, wie sie sind. Die Choreografien bewegen. Die Gefühle sind spürbar. Die Pointen in den Theaterszenen sitzen.
Sie sind VorreiterInnen in dem vielleicht letzten Tabu unserer Gesellschaft und fangen mutig bei sich selbst an. In den Familien und Freundeskreisen wird jetzt sicher anders über das Sterben geredet.
Hier gibt es einen ersten Pressebericht zu lesen.
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