Der Blog für die zweite Lebenshälfte

Der Blog für die zweite Lebenshälfte

Andacht zwischen Karfreitag und Ostern: Nicht so schnell!

Veröffentlicht in: Andacht/ Spiritualität

Falls Sie noch eine Andacht brauchen: diese passt sowohl in der Karwoche als auch nach Ostern. Das in kursiv gedruckte Gedicht kann von einer anderen Person gelesen werden.

Nicht so schnell

Trauernde sind nicht so schnell. Zähle bis drei und es ist alles vorbei. So hätte es gerne unsere Gesellschaft, die uns 2 Tage Sonderurlaub gewährt, wenn wir einen nahen Angehörigen beerdigen müssen. Aber auch nur dann. Freund oder Freundin gestorben? Schlimm. Aber du musst weiter funktionieren.
Trauernde sind nicht so schnell. Gestern noch Karfreitag, morgen schon Ostern? Ich komme in diesen Tagen auch nicht hinterher. Dieser Flugzeugabsturz. Während die Presse teils vorschnell Erklärungen produziert und mehr oder weniger professionell psychologisiert, bin ich noch bei dem Bild: alles zerschellt. Maschine, Menschen, Familien, Kollegenschaft, Schulklassen. Da kann niemand bis drei zählen.
Der Tod ist brutal. Immer reißt er die Welt ein. Sei es nun ein “eingeschlafen im hohen Alter” oder ein gewaltsamer Tod wie bei diesem Flugzeugabsturz. Die Welt im Kleinen und im Großen ist nicht mehr die Gleiche. Denn ein Mensch fehlt. Und dort wo er oder sie fehlt, ist ein Loch, ein Leerraum, eine schreiende Stille.
In diesen Familien, in dieser Schule, an diesem Ort ist die Welt eingestürzt. Da gibt es kein Schönreden. Und das ist schwer auszuhalten.

Lass mich
Lass mich noch
Lass mich noch ein wenig
Lass mich noch ein wenig am Grab
Lass mich noch ein wenig am Grab stehen

Es ist leer
Es ist leer
So wie mein Leben ohne ihn. Ohne sie.

Halte mich
Halte mich noch
Halte mich noch ein wenig
Halte mich noch ein wenig am Grab

Halte meinen Schmerz, mein Verlangen, meine Wut

Das Neue Testament hat sehr viele Varianten der Ostergeschichte zu erzählen. Von einem Wettrennen (Joh 20, 1-10)  über ein Fischessen (Joh 21, 1-14) bis hin zu dem Bild von den Samen, die nur dann aufgehen können, wenn man sie in die Erde legt (1. Kor 15, 35-38).
In diesen Tagen ist mir die langsamste Variante die liebste (Lukas 24, 13 – 34) : Zwei Jünger Jesu entfernen sich vom Ort des schrecklichen Geschehens. Sie laufen und laufen zurück in ihr Dorf Emmaus. Währenddessen sprechen sie über alles, was in Jerusalem an Schrecklichem geschehen ist. Schließlich gesellt sich noch ein Mann dazu, hört ihnen zu. Er findet die richtigen Worte, die ihre Herzen anrühren. Sie laden ihn ein zum Essen. Da nimmt er das Brot, dankt und bricht es. Und in diesem alltäglichsten aller Momente erkennen sie Jesus. Er ist auferstanden.
Später bleiben die Jüngerinnen und Jünger zusammen. Sie sprechen viel miteinander, sie essen miteinander, sie teilen den Alltag und versuchen zu begreifen. Auch bei ihnen dauert es mehr als drei Tage. Sicher haben sie Jesus noch lange vermisst. Nach und nach gelang es ihnen, seine Essenz, die Liebe und die Gemeinschaft, die Grenzen überwindet, in ihr Leben zu holen.

Und dann – nicht so schnell –
lass mich all das mitnehmen und
geh den Weg mit mir
zurück ins Leben

Lassen auch Sie sich Zeit. Und schenken sie sie den anderen, für die morgen noch nicht Ostern sein kann. Gehen Sie spazieren mit ihnen. Teilen sie ein Essen und ihre Gedanken und Gefühle. Ganz langsam.

Pfarrerin Annegret Zander
Fachstelle Zweite Lebenshälfte, EKKW


nach oben

Hinterlassen Sie einen Kommentar

*