Der Blog für die zweite Lebenshälfte

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Bericht unserer Veranstaltung: „Aktiv & Vernetzt: Wie starten wir Initiativen 55 plus?“

Veröffentlicht in: Allgemein, NACHmachBAR
Bericht unserer Veranstaltung:

Annegret Zander, Dieter Zorbach, Melanie Nöll – beim Netzwerke stricken

Wie stellt man selbstbestimmte, selbstorganisierte Bildungsarbeit im ländlichen Raum auf die Beine? Wir trafen uns am 21. Februar 2017 in Treysa mit Mitgliedern der Initiative 55 plus-minus aus Bornich in Rheinland-Pfalz, um von ihnen zu lernen. Denn wir möchten auch solche Initiativen starten! Wir beginnen damit in den ländlichen Regionen und Ziegenhain und Hanau herum!

  • Unser Bericht besteht aus 3 Teilen:
    – ein Bericht von Dierk Glitzenhirn,  Leiter des Evang. Forums Schwalm-Eder
  • – narrative Eindrücke von Annegret Zander und
  • – Mitschriften von Teilnehmenden während der Veranstaltung, die die Details festgehalten haben.
  • – Und bald kommt noch die Videoaufnahme des Hauptvortrags von Dieter Zorbach, Initiativesprecher, hinzu.

Pfarrer Dierk Glitzenhirn: Denk- und Handlungsanstöße von der Loreley

Schwalmstadt. Zu einer nordhessenweiten Fortbildung für Ehrenamtliche in der Seniorenarbeit hatte die Fachstelle Zweite Lebenshälfte der Evangelischen Landeskirche eingeladen. Im Franz-von-Roques-Haus in Treysa referierte Dieter Zorbach von der „Initiative 55plus-minus“ aus Bornich in Rheinland-Pfalz. Der Gründer eines Netzwerkes zur nachbarschaftlichen Unterstützung hatte sich vor 14 Jahren vorgenommen „im Alter Katastrophen zu vermeiden“, er wollte „hineinkommen in das Immer-ein-bisschen-weniger-Können“. In seiner Heimat zwischen Koblenz und Rhein-Main wirke sich „die Sogkraft der Ballungsräume“ besonders aus und verstärke die Gefahr der Vereinsamung der Übriggebliebenen. Um dem entgegen zu wirken, brauche es das gemeinsame Aktivsein.

So steht Dieter Zorbach mit einem Team für eine „mobilisierende Seniorenarbeit“, die man nicht ohne die Betroffenen machen könne. Er ermutigte dazu, die eigenen Kompetenzen zu entdecken und sagte: „Das Sofa ist eine prima Erfindung, aber bleiben sie nie zulange darauf sitzen!“

Eine Mundartgruppe, Englischkonversation, ein Sprachkurs für polnischsprachige Pflegekräfte, Musik machen mit Freunden, Hilfe beim Pilze suchen oder das Entdecken unbekannter Wanderrouten, insgesamt 50 Projekte bietet der Initiativkreis in diesem Jahr an. Rund 5000 Teilnehmende waren es im vergangenen Jahr, die in der Region von der Größe des Schwalm-Eder-Kreises miteinander ehrenamtlich aktiv waren. Zorbach und fünf weitere „Initiativebeauftragte“ bilden eine Kerngruppe, die Leuten hilft, „die was machen wollen“. Sie bleiben dabei realistisch und menschlich: „es müssen nicht immer die Besten sein, die etwas machen“. Durch Beratung und Öffentlichkeitsarbeit ermutigen sie dazu anzufangen, sie machen Aktivitäten bekannt und unterstützen diese, z.B. indem sie  die Angebote in einem jährlichen Programmheft zusammen veröffentlichen und sie durch regelmäßige Pressearbeit ständig neu bewerben. Auch Daniel Helwig, der Ehrenamtskoordinator des Kirchenkreises Ziegenhain zeigte große Sympathien für das Konzept und war sich sicher: „Wir haben auch in unserer Region viele Ehrenamtliche. Diese wollen heute etwas anderes als Befehlsempfänger sein.“ Pfarrerin Annegret Zander, verantwortlich für Seniorenarbeit in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, kündigte an, dass im Kirchenkreis Ziegenhain, in Alsfeld und Hanau solche Ehrenamtsnetzwerke beispielhaft initiiert werden sollen.

Aus dem Kreis der Anwesenden wurde das hierarchielose System der kirchennahen „Initiative 55plus-minus“ aus dem an der Loreley gelegenen „Dekanat Nassauer Land“ besonders gewürdigt. Neue Angebote kämen und Gruppen dürften auch wieder gehen, wenn sie sich überlebt hätten. Etwa ein Viertel der Angebote ändere sich jährlich. Dieter Zorbach appellierte an die Improvisationsfähigkeit der Teilnehmenden: „Wir sind schlecht organisiert, aber gut strukturiert.“

Dierk Glitzenhirn, 21.02.2017

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Annegret Zander: Butter bei die Fische: Wie arbeitet die Initiative 55plus-minus konkret?

Eine der ersten Projekte war „Elektroschweißen lernen“
Die Initiative begann in 2005 klein: ein bescheidener Flyer mit 6 Projektideen, die in der Region verteilt wurden. Eines davon hatte Dieter Zorbach ins Leben gerufen „Elektroschweißen“. Er selbst hatte keine Ahnung, wie das geht, aber er wollte es lernen. Und so kamen 8 Personen zusammen: 4 wollten lernen, 4 wussten wie´s geht, gemeinsam haben sie es sich gegenseitig beigebracht.

Das ist das Grundprinzip, mit dem die Initiative bis heute arbeitet: Es braucht nur eine gute Idee und ein paar Leute, die sich dafür interessieren. Der Rest findet sich. Beziehungsweise wird gemeinsam erarbeitet: Hier gibt es keine Superexperten, sondern Menschen, die ihr Wissen zusammentragen und gemeinsam entscheiden, wie sie vorgehen wollen. Während unseres Treffens haben wir ein Beispiel aus der Runde durchgespielt: „Ich möchte gerne mit anderen gemeinsam Folkmusik hören“. Diese Idee wird auf der Webseite der Initiative (www.i55plusminus.de) und in den Gemeindeblättchen der Region veröffentlicht. Interessierte melden sich über die Webseite oder telefonisch an. Eine Initiativebeauftragte schaut, wo die meisten Personen herkommen und organisiert in deren Nähe einen Raum. (Es gibt den Pool von Gemeindehäusern und Dorfgemeinschaftshäusern, die die Initiative kostenlos nutzen kann.) Die Interessierten treffen sich und besprechen gemeinsam – moderiert, aber nicht bestimmt vom Projektbetreuer – wie sie die Sache angehen wollen: Alte Platten hören? Folkkneipen aufsuchen? Zusammen Musik machen? Sie machen gemeinsam einen Plan und dann geht´s los.

Selbstwirksamkeitserwartung: Ich trau mir was zu – auch im Alter!
Eine der Grundlagen der Initiative ist der Glaube, dass jeder Mensch etwas zur Gemeinschaft beizutragen hat. Die Hauptaufgabe der Initiativebeauftragten ist es zu ermutigen! „Gute Idee! Bring sie ein! Bring dich ein! Ich sehe, dass du hier ein Talent hast!“ Im Ruhestand, so Dieter Zorbach, kann man schon mal daran zweifeln, dass man noch zu etwas nutze ist, wenn einen kein Chef mehr braucht und die Kolleginnen sich nur mäßig freuen, wenn man zu Besuch im Büro auftaucht. Die gemeinsamen Unternehmungen sind also auch eine soziale Vorsorge: Ich bin noch etwas wert.

Gemeinsam aktiv werden – und alle müssen sich wohlfühlen können
Und ich bin nicht allein unterwegs! Wer beruflich stark engagiert war, wundert sich, wie selten er oder sie jetzt noch alltägliche Kontakte hat. Neue Kontakte zu knüpfen ist Teil der Initiative-Grundlagen. Das „Gemeinsam“ wird betont. Wir brauchen Kontakte, auch über unseren Nahbereich hinaus. Wir brauchen Menschen, die unsere Interessen teilen. Und vielleicht finde ich in meinem Ort niemand, der sich auch über Windkraft austauschen möchte, aber in der Region sind es dann doch einige.

Die Region als Potential
Und so kommen die unwahrscheinlichsten Themen zustande, wenn man über den eigenen Ort hinaus sich in der Region orientiert.
Ein Angebot der Bornicher Initiative ist seit Jahren ein Renner und eigentlich schon Kult: „Unbekannte Wanderwege“. Der Projektbetreuer Raimond Heuser hat noch keine dieser Wanderungen selbst geführt. Es sind Leute vor Ort, die gerne den anderen aus der Region ihre Pfade zeigen. Beim Winterabschluss tauchen da schon mal 100 Leute auf und im Frühjahr scharren die Wanderlusteigen schon mit den Sohlen, bis es wieder losgeht.

Wir scharren auch! Wir warten gerade auf die Genehmigung von Projektgeldern, deshalb können wir hierzu noch nichts genaues sagen, aber wir hoffen, im Mai loszulegen, denn solche Initiativen möchten wir von der Fachstelle Zweite Lebenshälfte gerne auch fördern.

Annegret Zander, März 2017

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Und hier nun die detaillierten Mitschriften der Veranstaltung, für alle, die tiefer einsteigen möchten: Aktiv VErnetzt Protokoll

 


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