„Ich muss mich verkleinern“
Der Hanauer Standort der Fachstelle wechselt in die Alte Johanneskirche in Hanau – dort gibt es das Café Ellis, jetzt schon ein Lieblingsplatz – und viele Möglichkeiten, bestehende Netzwerke noch lebendiger zu gestalten. Im Sinne von „Älterwerden im Selbstversuch“ sind wir beide am Aussortieren, Weitergeben, Verkleinern. Eine gute Übung für später. Zum Beispiel den Ruhestand. Oder den Umzug in die kleinere Wohnung.
Sich verkleinern, der Auszug aus der geliebten Wohnung, gar dem eigenen Haus, das ist ein Kraftakt. Darum vermeiden es viele. Es ist aber auch ein Akt, in dem Kraft steckt. Und Befreiung.
Während ich – Annegret Zander – mich durch die Fachstelle räume, lade ich Sie ein, sich Ihrer Wohnung zu widmen…
Die Geschichten ehren
Der Abschied von dem Fachstellenort in der Akademiestraße in Hanau ist nicht ohne. Die Bude steckt voller Sachen, die alle eine Bedeutung haben. Jeder Stuhl, jede Goldrandtasse, jedes Buch ist ein Impulsgeber. Sie haben Menschen zu Begegnung, zum gemeinsamen Kochen, zu Texten, Ideen und gewagter Seniorenarbeit angestiftet.
Zum Glück sind die Emotionen nicht so groß, wie wenn man seine eigene Wohnung auflöst. Aber auch nach 5 Jahren steckt in so ziemlich allem schon eine Geschichte. Wie ist das dann erst mit Wohnungen und Dingen, in denen man Jahrzehnte gelebt hat?!
Vielen fällt es schwer, Dinge wegzugeben.
Wegen der Geschichte(n): je älter das Möbel, desto länger die Geschichten, die es in sich trägt. Wegen der vielen Arbeit, die das Sortieren macht. Ich stelle mir vor, es gäbe in Gemeinden Menschen, die Sortier-Hilfe-Hausbesuche machen.
Weil man in der Familie niemand findet, der die Sachen haben möchte. Oder man keine nahen Angehörigen hat. Aber es gibt noch mehr Menschen, die man bedenken kann. Zum Beispiel befreundete leidenschaftliche Flohmarkthändler. Erzählen Sie anderen, was Sie vorhaben. Da kommen plötzlich ganz neue Abnehmer*innen zutage.
Die alte Frau Magnusson (s.u. Buchtipp) empfiehlt ja, die allerliebsten Möbelstücke zu Lebzeiten weiter zu schenken – und dazu die Geschichten zu erzählen, die darin stecken. So hat man etwas von sich und der eigenen Geschichte weitergegeben. Und es vergnügt, denn man sieht gleich, wie das gute Stück weiter Freude bereitet. Das fühlt sich besser an als die Vorstellung, wie alles in einem Container landet, weil niemand etwas damit anfangen konnte.
Mich selbst ehren
Ich würde auch noch tiefer schauen und sagen: Ich ehre durch diesen Umgang mit den Dingen, die mir etwas wert sind, auch das Leben, das sich damit verbindet. Mein Leben. Das geht im Alter manchmal verloren. „Das alte Zeug will doch keiner.“ Da steckt manchmal auch eine Selbstabwertung dahinter. Ehren Sie also sich selbst, indem Sie sich gut um die Verteilung Ihrer Sachen kümmern.
Ich muss aus der Fachstelle von dem, was ich nicht mitnehmen kann (und das ist echt viel), fast nichts wegwerfen. Das meiste hat eine neue Heimat gefunden, in der es weiterwirken kann. Folgendes werde ich tun: Ich bitte alle, die etwas bekommen haben, mir ein Foto mit dem Objekt am neuen Platz zu schicken. Daraus mache ich mir ein kleines Büchlein.
Die Schatzkiste packen
Wenn man sich im Alter verkleinern muss, greift die Leitfrage von Aufräumerin Nr.1 Marie Kondo vielleicht eher nicht: „Macht mich das glücklich oder kann das weg?“ Es ist möglicherweise stattdessen dies: „Trägt mich das durch schwierige Zeiten? Verbindet mich das mit mir, mit Menschen, die nicht mehr da oder weit weg sind? Vergnügt es mich? Führt es mich zu meinen inneren Kraftquellen?“ Frau Magnusson empfiehlt eine Kiste, in die die Dinge hineinkommen, die für mich viel bedeuten, auch wenn sie für andere wertlos zu sein scheinen. Diese Kiste kann nach meinem Tod unbesehen weggeworfen werden. Aber solange ich lebe, habe ich sie bei mir.
Da kann dann ein Päckchen alter Briefe neben einer Nordseemuschel und einer Packung Rommée-Karten liegen. Eine handvoll Bilder. Was wäre es bei Ihnen?
Lustvoll Sachen auf die Straße stellen, wegwerfen und schreddern
Ich habe etwas Erstaunliches erlebt. Da gab es so Kleinkram, den ich nicht brauchte, sonst auch niemand. Ich packte Blumenübertöpfe, Putzlappen, alte Vasen in einen Pappkarton, stellte ihn mit Pappschild „Zum Verschenken“ auf die Straße. Zwei Stunden später war alles weg! Sogar das Schild. Vielleicht geht das in Ihrer Nachbarschaft auch. Ich selbst habe mal auf diese Weise ganz zauberhafte 60er Jahre Schüsseln gefunden…
Nun ja – und dann gibt es da ja Zeug, das braucht wirklich kein Mensch mehr und das staubt ein und das habe ich mit Schwung in die Tonne geworfen. Jede Menge Zettel geschreddert – das kann man auch wunderbar an Enkelkinder delegieren, die lieben es, Papier mit einer Maschine kleinzuratzeln. Und das fühlt sich alles herrlich an!
Geschafft!
Wenn Sie Ihre Verkleinerung geschafft haben, vielleicht sogar einen Umzug, dann werden Sie so so froh und erleichtert sein. Vor allem dann, wenn Sie das alles freiwillig und selbstbestimmt gemacht haben. Gehen Sie es also rechtzeitig an!
Buchtipp
Über „Frau Magnussons Kunst, die letzten Dinge des Lebens zu ordnen“ lesen Sie hier
Videotipp
Aufräumen mit Marie Kondo (Netflix – Serie): Hier geht´s zum der Trailer.