Veröffentlicht in: Älterwerden (im Selbstversuch), Ideen für Gruppen
In meinen Umfeld wird zurzeit heftig ausgemistet. Frau Mertin zum Beispiel. Die jetzt ihr Haus verkauft hat und in eine wunderschöne Wohnung im Betreuten Wohnen zieht. (s. meinen Beitrag vom 15.8.) Leider ohne Keller. Auch kein Dachboden. Und nun wird sortiert. Da taucht aus allen Ecken und Winkeln die Vergangenheit noch einmal auf. Das Gewürzschränkchen aus der ersten eigenen Küche in lindgrün von 1958. Ein Regal aus der Ausbildungszeit, das von Keller zu Keller mitwanderte. Die Sammeltassen und die von der Mutter handbestickte Aussteuerwäsche (nie benutzt). Bücher, Bücher, Bücher. Alte Fotos. Geschenke. Eine handgehäkelte Tischdecke – war ein Geschenk. Einweckgläser. Die alte Flöte von der Tante. Die erste Polstergarnitur, die im Keller für sich hin muffelt.
Wohin damit? Frau Mertin ist erleichtert über jedes Stück, das einen neuen Besitzer findet. Ganz gleich, wie vergilbt die Seiten: jedes Büchlein hat eine Geschichte. Ganz gleich wie abgeschlagen am Tellerrand, dieses Service hat unzählige Familienfeiern begleitet.
Eine Bekannte Ende 30, die gerade mit ihrem jüngst angetrauten Mann vor der Aufgabe steht, aus zwei Wohnungen in eine (verdammt kleine, aber irgendwie genau richtige) Wohnung zu ziehen, hat inzwischen folgende Methode entwickelt: Aus dem Buch mit der Widmung, reißt sie die Widmung. Denn die war das eigentlich Wichtige an dem Buch. Aus dem anderen Buch schreibt sie den Satz, der damals für sie so bedeutend war. Und beim Geschirr haben alle „keine Lieblingstassen“ leider verloren.
Umzüge sind immer wieder eine Vorübung zum Großen Abschied. Und auch wenn andere denken “ Meine Güte, das olle abgewetzte Heftchen“, so steckt doch ein Teil meines Lebens genau in diesen Seiten, die mir einmal so wichtig waren.
Frau Mertin verteilt ihre Habe. Die Putzfrau kriegt alles was aus Holz ist, Freunde, Verwandte, Nachbarinnen, alle werden bedacht. Ich habe das Schränkchen von 1958 bekommen. Ich habe es eben geschrubbt. Es riecht noch nach Werkzeugkeller. Ich hänge es in meiner Küche auf. Passt großartig. Ich habe auch die Sammeltassen mit dem filigranen Goldrand bekommen. Mein Kind hat es gleich zum Kaffeeklatsch Spielen ausgeliehen. Was war das Wasser aus der Blümchentasse lecker. Bei der Gelegenheit konnte ich gleich mal erzählen, was früher ein „Blümchenkaffee“ war.
Vielleicht wird es manchmal Zeit, ein paar – oder sogar viele Erinnerungen auf diese Weise auf Wanderschaft zu schicken. Im Keller vergammeln sie nur.
Tags: Ausmisten, Endlichkeit, Umzug im Alter, Wohnen im Alter
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Veröffentlicht in: Älterwerden (im Selbstversuch), Ideen für Gruppen
Frau Mertin, Mitte 70, zieht um. Ihr Reihenhäuschen, in dem sie über 30 Jahre wohnte, ist verkauft. Sie mietet eine Wohnung im betreuten Wohnangebot der Diakonie. Die Entscheidung ist ihr nicht leicht gefallen. schließlich ist hier ihr Sohn groß geworden, hat sie hier mit ihrem Mann gelebt, hat Freundschaften geschlossen. Aber der Garten, das Haus, die vielen Treppen, sie wurden immer mehr zu einer Belastung.
Zu ihrer Überraschung hat ihr Sohn ihr sehr zugeredet, diesen Schritt zu wagen. Er ist sogar sehr erleichtert, dass seine Mutter diese Entscheidung selbst getroffen hat. Sie zieht selbstbestimmt um, entscheidet selbst, was sie mitnimmt und was zurückbleibt. Nur die Stadt verlassen solle sie nicht. Warum auch. Ist es doch ihr vertrautes Umfeld. Nun wird sie bald mittendrin wohnen, im Stadtzentrum. Schöne 3-Zimmer-Wohnung, sodass die Enkelin noch kommen kann. Die ist eh begeistert: da ist gleich nebenan ein toller Spielplatz!
Frau Mertin ist erleichtert. Eine Last ist ihr von den Schultern gefallen und seit sie sich entschlossen hat, diesen Schritt zu wagen, hat sie einen großen Schwung entwickelt. Nach der Entscheidung ging alles schnell: (mehr …)
Tags: Betreutes Wohnen, Endlichkeit, Wohnen im Alter
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Veröffentlicht in: Älterwerden (im Selbstversuch), Andacht/ Spiritualität
Jane Russell ist im Alter von 89 Jahren gestorben. Die Presse erinnert heute an sie als das „schwarzhaarige Busenwunder“. Ich habe mir eben die Bilder aus dieser Zeit angesehen. Eine sinnliche wunderschöne Frau mit unglaublicher Lockenmähne. Wegen ihrer Oberweite wurde sie in den 1940er Jahren entdeckt und berühmt durch den Film „Outlaw“. Später mit Marilyn Monroe in „Blondinen bevorzugt“. Auf einer Fashion und Hair Webseite fand ich zwei Fotos von ihr. Vielleicht 30-jährig und 80-jährig, immer noch eine Diva, mit jurzen grauen Locken, knallig geschminkten Lippen und lebenslustigem Blick.
Was mich aber eigentlich bewegt ist dies: gibt es sonst nichts, als das markante Stichwort „Busenwunder“, das an diese Frau erinnert. Was hat sie gedacht? Was hat sie später gemacht, gearbeitet, bewirkt? Wie war sie wirklich? Es kann doch nicht sein, dass nach 89 Jahren nur dies in der Erinnerung hängen bleibt?
Und damit verbunden die Frage: Wenn über Sie anlässlich Ihres Todes eine Schlagzeile geschrieben würde: was soll drin stehen?
Welche 2-5 Worte wären das?
Tags: Altersbilder, Älterwerden, Endlichkeit, was bleibt, wenn ich gehe?, Zweite Lebenshälfte
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