Woche 3 mit Psalm 30: (H)eiliger Zorn
Ich hatte es ja ganz am Anfang angekündigt: rauf und runter. Wenn Sie Woche 2 mit Loben verbracht haben – wie war das für Sie? – dann werden Sie jetzt wie ich über dies Stolpern: den Zorn Gottes.
Psalm 30, Vers 6
„Denn sein Zorn währet einen Augenblick und lebenslang seine Gnade.“ (Luther-Übersetzung)
„Einen Augenblick nur sind wir unter ihrem Zorn, ein Leben lang in ihrer Gunst.“ (Bibel in gerechter Sprache)
Der Zorn Gottes ist gerade wieder sehr aktuell in Bibelkreisen und christlichen Foren. Das Erdbeben in Japan mit seinen Folgekatastophen wird derzeit gerne mit dem Zorn Gottes erklärt und als Strafe verstanden. Davon distanziere ich mich ganz entschieden. Und möchte mit Ihnen in dieser Woche über den Zorn nachdenken: Ihren eigenen und den Zorn Gottes.
Mit großer Wahrscheinlichkeit sind Sie damit aufgewachsen, dass Zorn etwas Negatives ist. Wenn Sie selbst als Kind zornig wurden, wurde Ihnen das verboten, Sie wurden mit dem Rumpelstilzchen verglichen, in Ihre stille Ecke verwiesen. Denn wenn eines stimmt, dann dies:
Zorn ist eine gewaltige Kraft.
Zorn und Wut können so gewaltig sein, dass sie gewalttätig werden. Vielleicht haben Sie auch das leidvoll erfahren müssen. Die verbalen oder handgreiflichen Schläge des zornigen Vaters, der wütenden Mutter, des übergriffigen Lehrers, vielleicht auch des Pfarrers. Das ist die eine Seite.
Wer die Kraft des Zorns gespürt hat weiß auch, dass die Wut aus tiefer Depression und Passivität herausholen kann. Wut gibt Kraft, über sich hinauszuwachsen, lange vor sich her geschobene Entscheidungen zu treffen.
Ich kenne wenige, bei denen diese positive, stärkende Erfahrung von Zorn besonders ausgebaut ist.
Kindern wird bis heute selten ermöglicht ihre Wut als eines von vielen Gefühlsmöglichkeiten zu spüren. Noch weniger erhalten sie Gelegenheit, ihren Zorn angemessen auszudrücken. Wenn sie Großeltern sind, haben Sie hier die Chance etwas neues auf den Weg zu bringen: eine große Kraft, um sich abzugrenzen oder einzusetzen.
Vielleicht beobachten Sie sich in dieser Woche einmal: Was macht sie zornig? Wer bringt sie auf die Palme? Wann werden sie stinkwütend? Oder wenigstens sauer? Und was macht das jeweils mit Ihnen? Lähmt es Sie, gibt es Ihnen Anstoß, Initiative zu ergreifen? Überholt sie der Zorn von rechts, sodass Sie nicht mehr denken können? Grenzen Sie sich ab? Verbindet es Sie mit anderen? Paradox. Aber alles möglich.
Und was ist mit dem Zorn Gottes?
Vielleicht sind Sie mit diesem Zorn erzogen, in Ihre Schranken verwiesen worden? Das Paradebeispiel, das jetzt gerne angeführt wird, ist die Sintflut. Gott wird böse über die Bosheit der Menschen und setzt ihnen eine gewaltige Grenze. Die Bibel schreibt aber auch, dass dies einmalig war. Der Regenbogen als Versöhnungszeichen ist schmerzhaft erkauft. Und es wäre voreilig und wie ich finde zynisch, hier einmal argumentativ über ein ganzes Land den Zorn Gottes hinwegfegen zu lassen.
Zornig auf den anderen zu sein – das geschieht in Beziehungen. Wir bauen Mist, wir machen Fehler und ziehen den Zorn der anderen auf uns. In der Beziehung mit Gott ist das nicht anders. Aber einfach gesprochen: Gott trägt uns nichts nach. Ich bin froh, dass Gott auch zornig sein kann. Wutschnaubend zornig. Das heißt doch Gott ist involviert mit uns, uns gegenüber nicht gleichgültig. Es ist eine lebendige Beziehung.
Und Gott nimmt uns an. Nimmt Partei für uns. Verwandelt den Zorn in Kraft. „Gnade“ übersetzte Luther. Ein Leben lang angenommen, ernst genommen. Mit der Möglichkeit unseren Zorn in Lebenskraft zu wandeln.
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