Eine (biblische) Liebesgeschichte zwischen alt und jung
Die Schwiegertochter war ihre Verbindung zur Welt. Sie selbst, weit über 80, hatte immer das Leben der Gemeinde mitgestaltet. Sie hatte die Frauenhilfe geleitet und sich mit Herzblut für Menschen in der Gemeinde eingesetzt. Nun brauchte sie selbst Hilfe. Die Schwiegertochter, ihre polnische Herkunft im starken Akzent immer noch hörbar, besuchte sie täglich. Brachte Essen und Geschichten, massierte die geschwollenen Füße, sang ein Lied und vor allem: schüttete ihr liebevolles Herz aus – nur um es von der Schwiegermutter gefüllt zu bekommen. Eine besondere Liebe war das.
Ich erinnerte mich an die beiden auf der Suche nach Liebesgeschichten in der Bibel. Eine besondere Liebesgeschichte hat Einzug in viele Trauungen gehalten: die von Rut und Noomi, Schwiegertochter aus fremdem Land und Schwiegermutter. „ Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der HERR tue mir dies und das, nur der Tod wird mich und dich scheiden.“ Mit diesen Worten bindet sich die Jüngere an die Ältere, nachdem beide ihre Männer an den Tod verloren haben. Es ist ein rechtsbindender Schwur, der auch eine emotionale Tiefe hat.
Ich fand dazu einen interessanten Gedanken von Johanna Erzberger: „ Hinter der Vorstellung des gemeinsamen Begräbnisses steht die Vorstellung der gemeinsamen Grabstätte der Sippe. (Vgl. Gen 25,8; 35,29; 49,29) Menschen sind im Rutbuch immer Teil einer größeren Gemeinschaft. In Gemeinschaft integriert zu sein, ist lebensnotwendig. Aber erst die ungewöhnliche solidarische Gemeinschaft von Rut und Noomi schafft unkonventionell die Voraussetzung ihrer neuerlichen lebensermöglichenden Integration.“
Es rührt mich an, dass diese Liebesgeschichte ein Bild für die neuen gemeinwesenorientierten Ansätze in den Kirchengemeinden sein könnte. Die Generationen binden sich – aus Liebe – aneinander. Es ist dies eine Liebe, die ohne aufzurechnen gerne teilt und dadurch reich macht. Die beiden kehren zurück in eine größere Gemeinschaft ihrer Großfamilie. Das könnten wir doch auch mal so verstehen. Die Sehnsucht ist ja da: in eine Gemeinschaft zu gehören. Die Möglichkeiten haben wir auch. wir müssen eigentlich nur noch die Türen öffnen. (s. mein Briefwechsel mit Paulus) Gemeinwesenorientierte Arbeit tut dies: die Türen zwischen Kirche, Kommune, diakonie, Bürgerinnen und Bürgern öffenen, die Generationen verbinden, einfach weil es reich macht.
Mein Kollege Hartmut Wolter (Telefon 0561-9378284) hat solche Projekte begleitet. Demächst mehr dazu.
Diese beiden Liebesgeschichten von Schwiegermutter und Schwiegertochter weisen den Weg in ein miteinander, das für uns wieder selbstverständlich werden muss.
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