Rückblick: Brüder Grimm Woche im ebz
Dr. Johannes Dirschauer war der Referent unseres Bildungsurlaubs „Die Brüder Grimm am Spessart“ in der Serie „Literatur an Ort und Stelle“ . Seinen ganz persönlichen Rückblick lesen Sie hier, poetisch, wie die ganze Woche. Im Herbst leitet er unser Seminar “ Sätze der Sehnsucht, Bücherscätze: Literatur und Lebensgeschichte“. Die Teilnehmenden der Brüder Grimm Woche waren sehr begeistert! So lernen Sie ihn schon einmal kennen:
„Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie!
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor;
Heiße Magister, heiße Doktor gar,
Und ziehe schon an die zehen Jahr“
(Goethe)
Ja, so ist das wohl auch bei mir.
Darf ich mich vorstellen?
Auch ich habe vieles und gutes studiert: Psychologie, Germanistik und Religionswissenschaft, bin Diplom-Psychologe und promovierter Religionswissenschaftler. Und weil derartiges nie zu einer festen Anstellung in diesen Zeiten und in diesem Lande führt, so ziehe ich herum durchs Land ein ums andere Mal, schon mehr als „zehe Jahr“.
Auf diesen meinen freiberuflichen Wegen hat es mich im aufblühenden April erstmals in den schönen Spessart und nach Bad Orb verschlagen. Im ebz führte ich ein Seminar: „Auf den Spuren der Grimms“ durch und wir alle erlebten eine märchenhaft schöne Woche.
Märchenhaft war schon das Ankommen:
Mit meinem schweren Koffer voller Bücher über die Brüder Grimm, voller wohlklingender Musik für das gute Reinkommen und voll all der vielen Requisiten, die ich für den mir eigenen Stil meiner Seminare benötige, erlebte ich schon bei der Erkundung des Seminarraums eine erste Überraschung. Denn wie oft in den vielen Jahren war ich es gewohnt, dass nach langer Anfahrt erst einmal der Raum eben nicht nur gesichtet werden durfte, sondern gerichtet werden musste, Stühle geschleppt, Technik organisiert usw.
Wie anders hier! märchenhaft anders.
Alles war längst liebevoll wie umsichtig vorbereitet.
So betrat ich einen großen von Frühlingssonnenlicht durchfluteten Raum mit Blick auf die Frühjahrsblüten, hier einen grandiosen Forsythienstrauch, dort eine japanische Kirchblüte. Auch im Inneren beste Aussichten: ein Stuhlkreis in der genauen Anzahl der TeilnehmerInnen, in dessen Mitte ein schönes Blumen-Kerzengesteck stand, liebevoll mit Seidentüchern drapiert.
Alles brauchte also nur ausgepackt zu werden. Während ich die mitgebrachten Bücher schön anzuordnen suchte, die Pi mal Daumen 15 CDs für den Wohlklang des Reinkommens, die DVDs für die Filmbeiträge der Woche hinstellte, meine Requisiten für die kleinen Theatereinlagen ihren Platz fanden, fand ich auch eine kleine Streichholzschachtel auf dem Tisch liegen, natürlich für die Kerze des Stuhlkreises.
Diese sogar noch hingestellte Streichholzschachtel wurde zum Symbol für die Aufmerksamkeit und Gastfreundlichkeit dieses Hauses, die es uns die ganze Woche rund um gut gehen ließ.
So konnte es gelassen beginnen, all die guten Aussichten, Einsichten möglich machen.
„Auf den Spuren der Grimms.“
Natürlich gab es viel über die Biographie zu erfahren, wir fuhren auch nach Steinau, diesem malerischen Ort, zum Geburtshaus der Brüder. Wir beschäftigten uns mit der Rezeption der Märchen. So hörten wir auch Märchen, die wegen ihrer Obszönität oder Grausamkeit (z.B.: „Von Schlachtens Kindern“) in späteren Ausgaben nicht mehr vorkamen. Wir sahen auch einen vermeintlich legendären Defafilm und amüsierten uns wie viel sozialistisches Stroh einmal in ein Märchen wie Rumpelstilzchen zu stopfen war und sich trotzdem weniger in Gold als nur in Biederkeit verwandelte.
Zum Unterschied Volksmärchen-Kunstmärchen gab es einen Blick aus dem Fenster zum Nachbarn, zum dänischen Dichter Hans Christian Andersen.
Jeden Morgen kam als Morgenbetrachtung ein anderes Märchenmotiv zur Sprache. Am Montag: die Tür, am Dienstag: das Verbotene, am Mittwoch: der Auszug in die weite Welt, am Donnerstag: das Lachen und am Freitag: der Spiegel.
„Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist die Schönste im ganzen Land?“.
Immer gab es Märchenrätsel, für deren Lösung es einen Goldsternentaler gab, was eine lustige Manie auslöste und am Ende beim bunten Abschlussabend in einem großen Märchenquiz gipfelte. Überhaupt der schöne Abend am Ende: der Koch des Hauses servierte höchst persönlich und wir saßen an einer schönen Tafel im Kaminzimmer mit Kerzen und Stoffservietten, fühlten uns bei den 5 Gängen wie im 5 Sternerestaurant und trugen die in der kreativen Nachmittagswerkstatt entstanden Texte vor oder präsentierten die dort gemalten Bilder. Wir plauderten über das gute Dies und Das, sangen und lachten – und es wurde sehr schön spät.
„Hätten die Nüchternen
nur einmal gekostet
alles verließen sie
und setzten sich zu uns
an den Tisch der Sehnsucht,
der niemals leer wird“ (Novalis)
Und immer mal zwischendurch der eine oder andere oder dritte, da ging es zur Saline für ein tiefes Durchatmen nach der langen Winterszeit.
„Komm mit mir zu Atem und darüber hinaus.“ (Paul Celan)
So habe ich mich nicht nur herzlich zu bedanken, sondern auf diese Weise empfehle ich mich auch und lade sie ein zu der Woche: „Sätze der Sehnsucht – Bücherschätze“ Literatur und Lebensgeschichte“, die dann im hoffentlich goldenen Herbst vom 17.-21. Oktober im ebz stattfinden wird.
Mit den besten Wünschen für Sie und für einen schönen Frühsommer:
„der Mai, der Mozart des Kalenders (…),
Oh, gäb es doch ein Jahr aus lauter Mai“ (Erich Kästner)
verbleibe ich mit sehr freundlichen Grüßen
Ihr
Dr. Johannes Dirschauer
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