Von Wolke 9 gestürzt – deutsche Gründlichkeit?
Gestern lief der Film „Wolke 9“ im ARD Sommerkino. Ein Film über die Liebe und die Sexualität im Alter. Seit er vor ca. 3 Jahren erschien, bewegt und erhitzt er die Gemüter. Auf dem Weg zu einem vielseitigen Altersbild ist die Arbeit von Andreas Dresen ein Meilenstein. Denn: ja, auch alte Menschen verlieben sich Hals über Kopf, begehren einander und tun, was Verliebte jeden Alters tun. Inge, einigermaßen zufrieden verheiratet mit Karl, lernt Werner kennen und verliebt sich Hals über Kopf. Was folgt ist ein Auf und Ab der Gefühle auf der Leinwand und bei den Zuschauern.
Mich bewegt die Selbstverständlichkeit, mit der Ursula Werner, Horst Rehberg den Blick auf die Nacktheit ihrer gealterten Körper zulassen. Inge und Werner lieben sich so wie sie sind, mit allen Falten und Narben, die das Leben in ihre Körper eingeschrieben hat.
Nackt sind auch die Seelen, was die Schauspielerin Ursula Werner in der Darstellung viel schwieriger empfand. Denn mit der neuen Liebe geht auch eine alte Beziehung in die Brüche und Karl, der gehörnte Ehemann, zerbricht daran.
In der Auseinandersetzung mit ihrer Tochter kommen all die Tabus und Vorurteile zur Sprache, die unsere Gesellschaft gegenüber der körperlichen Liebe im Alter hat.
Regisseur Dresen hat meines Erachtens allzu konsequent die Geschichte zuende gedacht. Was am Ende hängen bleibt sind die zusätzlichen Schuldgefühle, die Ursula durch den Freitod ihres Mannes aufgebürdet bekommt. Mit ihr werden wir alle von Wolke 9 herunter gestoßen. So ist das wohl im genussarmen Denkerdeutschland. Und das finde ich nicht nur traurig sondern kontraproduktiv. Denn so kann der befreiende Film auch als Gegenargument von Leidenschaft im Alter verstanden werden. Schade.
Wenn Sie die DVD haben, dürfen Sie auf keinen Fall den kleinen Film bei den Extras versäumen: eine alte Dame erzählt am Kaffeetisch über ihr vergangenes Liebesleben. Wunderbar.
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