Bunt – vielfältig – beängstigend – erlösend: Marigold Hotel
Unbedingt ansehen! DVD – Tipp: Best Excotic Marigold Hotel
Vielleicht sollte ich Sie warnen. „Best Excotic Marigold Hotel“ wird als die neue Komödie vom Regisseur von Shaespeare in Love angekündigt. In Wahrheit wird dieser Film Sie mit all Ihren Ängsten konfrontieren, die Sie in Bezug auf Ihr Alter haben. Er wird Ihnen allerdings auch das Herz wärmen und Mut machen. Das Alter schützt uns nicht davor große Entscheidungen zu treffen. Im Gegenteil. Wenn Sie glauben, dass Sie dann Ihre Ruhe haben werden, dann haben Sie sich gewaltig geirrt.
So geht es auch Douglas und Jean, seit 39 Jahren verheiratet. Sie wollten sich von ihren Rücklagen eine hübsche Wohnung für den Ruhestand kaufen. Dummerweise haben sie das Geld in der gescheiterten Internet-Firma ihrer Tochter versenkt. Aus der Traum vom gemütlichen Altersruhesitz mit Tee und Cookies. Auf diese britischen Grundnahrungsmittel würde auch Z nie verzichten. Muriel, die verknitterte ehemalige Hausdame, lebt ihren Rassismus offen und genüsslich. Sie wird ihre Hobknob – Kekse noch mit ins Grab nehmen wollen. Nun braucht sie erst einmal eine neue Hüfte. Doch die Warteliste ist lang. Ihr indischer Arzt bringt ihr das neue „Outsourcing“ näher. In Indien käme sie schneller unters Messer.
Der Richter Graham schmeißt alles hin, rechtzeitig bevor auch ihm eine Ruhestandsfeier mit „schlechtem Wein und schlechtem Käse“ droht. Er begibt sich auf einen Sehnsuchtspfad, der ihn sein ganzes Leben nicht losließ. Evelyn, kürzlich verwitwet und unerwartet verschuldet, flüchtet vor den überfürsorglichen Kindern und nimmt ihr Leben (endlich) selbst in die Hand.Dann sind da noch Norman, Marke verrosteter Gigolo, auf der Suche nach der – körperlichen – Liebe und Madge, die auf einen reichen Mann hofft.
Dieses Trüppchen kauft sich im Best Excotic Marigold Hotel in Jaipur ein, dem Lebenstraum des jungen Inders Sonny, der das sehr in die Jahre gekommene Hotel seines Vaters in ein Ressort für alte BritInnen verwandeln will. Er ist pleite aber die Hoffnung in Person. Sein Motto: Ende gut alles gut – und wenn es nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende.
So werden wir mit unserer Gesellschaft im Kleinen mit all ihren gescheiterten Träumen, ihren Wünschen für die Liebe im Alter, der Angst vor der Abhängigkeit und dem nahenden Lebensende, der Lust auf Leben und dem Wunsch nach innerem Frieden in die fremde knallbunte Welt Indiens katapultiert. In der Konfrontation mit dem Fremden beschleunigen sich auch die inneren Prozesse. Alle Beteiligten – auch die indischen – werden verändert und klarer aus diesem Experiment hervorgehen.
Man mag dem Film vorwerfen, dass das ja alles sehr unrealistisch sei. Wer geht denn schon nach Indien. Die Wahrheit ist, dass die Welt des Älterwerdens mitunter genauso fremd – und ja: ähnlich bunt daherkommt. Er konfrontiert uns mit den notwendigen Fragen: Was will ich in diesem letzten Lebensabschnitt erleben, erreichen, klären? Und wie gehe ich dabei mit meinen sich immer mehr einschränkenden Möglichkeiten um?
Die Zeit läuft im Alter schneller. Gefühlt sicher genauso schnell, wie der wilde Verkehr in den Straßen Jaipurs. Die Frage ist, auf welche Weise und mit wem wir uns durch diesen Zeitstrom bewegen. In Mumbai versuchen es die gestandenen BritInnen mit vollgestopften Bussen, motorisierten Tuktuks, auf Bergen von Teppichen, zu Fuß und auf knatternden Motorrädern (ohne Helm!). Ja, manche von uns werden im Alter ihr Tempo verlangsamen und genauer hinspüren was ihr Leben ausmacht. Manche werden die Beifahrer wechseln, manche noch mal richtig Gas geben…
Schauen Sie sich diesen Film gemeinsam mit anderen an. Sie werden viel Gesprächsstoff haben. Der Film lässt nichts aus und befreit die angstbesetzten Themen aus der Starre in eine Lebendigkeit, in der das Ende in aller Einschränkung wirklich gut werden kann.
Endlich ist der Film auf DVD erhältlich. Ich werde ihn mir sicher noch öfter ansehen.
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