Sehnsuchtsorte – Halbzeit mit der Jahreslosung: „Wo ist denn nun die Zukünftige?“
Haben Sie einen Ort, nach dem sie sich sehnen? Ich hatte mal einen, weit weg in Kalifornien: ich sehnte mich nach blauem Himmel im Winter, nach Blumenduft im Januar, besonders aber nach vergnügter Offenheit und der positiven Lebenseinstellung der Menschen. Dort hatte ich vieles von dem entdeckt, was mich und meine Arbeit heute ausmacht. Was damals frisch angelegt war wie in einem neuen Beet, blüht heute. Und siehe da, seit einiger Zeit sehne ich mich gar nicht mehr nach dem fernen Ort, denn nun finde und gestalte ich auch hier vergnügte Offenheit und lebendige Beziehungen, in denen jede/r sie selbst sein kann, ohne abgewertet zu werden. Ich freue mich außerdem immer und ausführlich über jedes Stück blauen Himmel und jeden Blumenduft, der mir um die Nase weht.
Wie sieht Ihr Sehnsuchtsort aus?
Wie sieht Ihr Sehnsuchtsort aus? Ist es ein Urlaubsort oder ihr Geburtsort? Der Ort, an dem Sie Ihre Lehre gemacht, Ihre Liebe gefunden haben? Der Ort, an dem Sie das Tanzbein schwingen lernten oder die Faszination von Gedichten entdeckten? Der Ort, an dem Sie Ihre Seele baumeln lassen konnten?
Was genau zieht Ihre Sehnsucht dort hin? Ein Duft, eine Farbe, die Art, wie die Menschen sich Ihnen dort zuwandten, oder wie Sie dort Sie selbst sein konnten?
Der Sehnsuchtsort von Frau B.
Ich traf Frau B. im Gottesdienst in der Nähe von Kassel. Nun ist sie 84. Bis vor wenigen Jahren kam sie regelmäßig ins ebz, um sich für ihr Ehrenamt als Leiterin eines Seniorenkreises weiterzubilden und aufzutanken. Nun ist sie gelassen in die zweite Reihe gerückt, aber: „Frau Zander, ich hab so Sehnsucht nach Orb.“ Dieser Satz lässt mich nicht mehr los, denn ich habe ihn schon oft von alten, aber auch jüngeren Menschen gehört. Ich fragte nach: Wonach sehnen Sie sich denn? „Es war immer so schön dort. Die Gemeinschaft, das gute Essen, die Natur. Ich habe immer so viel mitgenommen, auch für meine Arbeit mit den Senioren.“ Das klingt für unsere Ohren vielleicht wenig. Doch ich vermute, dies sind nur die Überschriften für viele kleine aber entscheidende Erfahrungen.
Gemeinsam mit anderen essen – für viele Alleinstehende jeden Alters eine Wohltat. Ein Erdbeertiramisu, so frisch und knallrot, dass das Herz hüpft. Ein Gedicht in einer Andacht weitet den Blick auf den Alltag. Ein Lied aus tiefster Seele gemeinsam mit anderen gesungen, verleiht Flügel. Ein Gedanke einem anderen Menschen mitgeteilt und mit neuen Gedanken nach Hause fahren.
„Die zukünftige“ ersehnen
Vielleicht können uns diese kleinen konkreten Sehnsuchtsspuren in „die zukünftige“ führen. „Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ (Hebr 13, 14) Spirituell und konkret. Ist Ihre Gemeinde, Ihre Gruppe, der Ort, in dem Ihre Sehnsucht bereits gestillt wird? Haben Sie die anderen schon einmal gefragt, wonach sie sich sehnen? Und haben sie schon einmal darüber nachgedacht, wie man diese Sehnsüchte erfüllen könnte, ohne weit weit weg gehen zu müssen? Die zukünftige liegt vor den Toren der Stadt. Manchmal muss man die sicheren Stadtmauern verlassen, um zu entdecken, was wirklich trägt und was wirklich satt macht. Manchmal muss man etwas heiß ersehnen, damit es nahe kommt. Ach ja, ich dachte schon immer, dass „Sehnsucht“ etwas mit suchen zu tun hat.
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