Am Ende (k)ein Fest- Ein Film über Sterbehilfe
Dies ist eine Filmkritik. Und eine flammende Rede gegen aktive Sterbehilfe. Ich bin stinksauer. Und ich fang mal hinter dem Ende an.
„Ich möchte, dass du mich so, wie ich jetzt bin, in Erinnerung behältst“ (Levanas vorletzte Worte)
„Liebe Mutter, ich kann dir gar nicht deutlich genug sagen, wie sehr ich mich über deine letzten Worte aufrege! Ich soll dich so in Erinnerung behalten, wie du jetzt bist. Toll. Und weg bist du. Weißt du: Ich habe alle möglichen Erinnerungsbilder von dir. Die Strahlende Frau mit Myrthenkränzchen auf dem Hochzeitsfoto, das in eurem Schlafzimmer hängt. Die Müde Mutter nach der Nachtschicht. Die Wuselige Oma, die alles für ihre Enkel tut. Um nur drei zu nennen. Und nun willst du mir die Bilder vorenthalten, die auch zu deinem Leben gehört hätten? Die Schwächer Werdende Alte. Ich habe schon ein paar schwache Seiten von dir gesehen. Und weißt du was? Ich bin froh darüber. Denn bei allem Glanz und Glück sind dies oft genug die Momente gewesen, in denen wir uns nahe kamen. Und nun willst du mir und dir die Möglichkeit nehmen, noch ganz andere Seiten an einander kennen zu lernen? Sich verbunden zu wissen? Unvermutet Nähe zu spüren?“
Ich weiß nicht, ob die Person, die den Promotext für „Am Ende ein Fest“ geschrieben hat, den Film gesehen hat. „Die Zuschauer werden schallend lachen und mit einem breiten Lächeln aus dem Film kommen“, schreibt Srceen International.
Ich bin mit einer Scheißwut aus dem Kino gefegt. Erneut ein Film, der im Kammerspiel das Drama des nahenden Endes inszeniert, um damit aktive Sterbehilfe salonfähig zu machen.
Schritt 1 zum dran Gewöhnen, dass Sterbehilfe ja eigentlich was ganz Tolles, Barmherziges ist: Ein alter Mann im Krankenhaus, der mit Windeln und aufgelegenen Stellen nur noch unter Schmerzen sein Ende herbei wünscht.
Ja, da kann man ja gar nicht anders, als ihm zu helfen.
Die Leute, die jetzt aktiv werden, der Tüftler Yehezkel und ein paar weitere Leute in der Anlage für betreutes Wohnen, sind zauberhaft, menschlich, ungeschminkt alt. Sie helfen dem alten Freund, lösen das ethische Problem, indem der Sterbende selbst den Knopf drückt. Eine Erlösung. Sollte man meinen.
Antwort 1: Zeigt die Einrichtungen an, die ihre Alten unwürdig pflegen, die keine ordentliche Schmerztherapie hinkriegen. Es gibt sie, die Einrichtungen. Und es gibt die, die mit dem selben Personalschlüssel alte Menschen ein Lebensende mit Würde ermöglichen. Eine Kollegin aus der Diakonie forscht gerade zum Sterben in Altenheimen und hat diese als „Hospize dritter Klasse“ bezeichnet.
Unterstützt die Bewegung „Palliativinseln in Pflegeeinrichtungen“!
Eine Palliativärztin in Hanau setzt sich dafür ein, dass die Palliativmedizin und das Wissen über eine gute Sterbebegleitung auch in den Altenheimen Einzug hält. Da sollte unsere Energie hingehen.
Schritt 2: Was einmal geklappt hat, wird auch für andere attraktiv
Natürlich spricht sich herum, dass bei Max´ Tod ein bisschen nachgeholfen wurde. Bald stehen die nächsten vor der Tür. Yehezkels Frau Levana, die zwar an Demenz erkrankt, in dieser ethischen Frage aber noch sehr klar ist, bringt es auf den Punkt. „Sag ihnen, du bist ein Mörder, aber kein Serienmörder.“ Der Ehemann, der zweiten Sterbekandidatin – auch sie bereits im Sterbeprozess – nervt so lange, bis die Clique ein zweites Mal ausrückt. Beim dritten Versuch versagt die Stromversorgung. Im Kibbuz geht das Licht aus, ein liebevoller Chor will die lebensmüde 90-Jährige Zelda hinüberbegleiten. Nun wird sie wohl doch den Weg aller Sterblichen gehen müssen. Ohne die Abkürzung.
Antwort 2: Wenn aktive Sterbehilfe erst einmal gang und gäbe ist, wird es als normale Sache verstanden werden. Das ist es aber nicht.
Ich habe in meinem Leben noch keine dauerhaften Schmerzen erleiden müssen, ich musste nicht im Schneckentempo an Gehhilfen durch mein Leben ziehen. Ich kann nur ahnen, wie frustrierend es sein muss, wenn man sich nicht mehr über Sprache äußern kann. Ich habe keine Vorstellung davon, was es bedeutet, jahrelang im Bett zu liegen, die Wand anzustarren und das Essen als Brei angereicht zu bekommen und mühsam herunter zu schlucken. Das sind Grenzerfahrungen, die kaum auszuhalten sind.
Ich habe Menschen kennengelernt, die es mit Geduld trugen. Und solche, die diese Menschen mit ebenso großer Geduld begleitet haben.
Ich kann nachvollziehen, dass man das Ende herbeisehnt. Die Erlösung. Dennoch: dem Leben aktiv ein Ende zu setzen, darf nicht der schnelle Ausgang werden. In meiner Patientenverfügung steht, dass ich schmerzstillende Mittel wünsche, die mir das Leiden erleichtern und dass mir bewusst ist, dass sie meine Lebenszeit verkürzen können. Das ist ein Unterstützung, die die Medizin inzwischen leisten kann. Dann lasst uns das ausbauen. Denn andernfalls wird es ganz schnell zu Schritt 3 kommen
Schritt 3: Ich geh lieber gleich, bevor ich leide.
Levana hat eine beginnende Demenz. Die Plätzchen, die sie mit der Enkelin backt, sind voller Salz, der Ofen qualmt, sie hat das letzte Blech mit Keksen vergessen. Und wieviele Eier in einen Keksteig gehören, weiß sie auch nicht mehr. Anscheinend ist die Angst vor Demenz in Israel genauso groß wie in Deutschland. Sie erlebt sehr intensiv, wie sie sich selbst verloren geht. Das ist für alle, die an Demenz erkranken, die schlimmste Zeit: wenn sie spüren, dass sie sich verändern und nichts dagegen tun können. In meiner Arbeit versuche ich immer wieder hier einen Blickwechsel einzufädeln. Denn das Schlimmste an der Demenz sind aus meiner Sicht die Widerstände, die die Gesellschaft dagegen entwickelt. Man darf nicht aus der Rolle fallen, man muss doch bei Verstand bleiben. Dagegen kann man alleine kaum ankommen. Deswegen
Antwort 3: Wir gehen mit dir! Durch das Leben und seine merkwürdigen und schlimmen und schwierigen Schleifen
Der schönste Moment im Film „Am Ende ein Fest“ ist die solidarische Aktion der FreundInnen, nachdem Levana nackt mit Perlenkette im Speisesaal erschien. Sie empfangen sie nach einem Tag voller Leiden an dieser unfassbar peinlichen Aktion splitterfasernacktvergnügt in einem Gewächshaus. So sieht kreative Solidarität und Unterstützung für Menschen mit Demenz aus! Leider wird dieser poetische und anarchische Moment auch im Film wieder zerstört.
Ach, wenn wir doch weiter auf diesem Weg gingen: miteinander in ein anarchisches kreatives poetisches Miteinander-Gehen und immer neu Heimat schaffen, ein Auffangen, wenn jemand fällt, ohne krampfhaft ein „alles ist gut“ zu simulieren. Nicht alles ist gut. Gerade am Ende. Aber, verdammt noch mal, lasst uns miteinander herausfinden, wie wir da gemeinsam gut durchkommen!
Denn dann hätte sich Levana nicht aus dieser Welt stehlen müssen.
So ende ich mit dem Anfang: Yehezkel spielt immer mal gerne Gott. Für seine Freundin Zelda. Mit Stimmverzerrer kündigt er ihr mit hallend warmer Stimme an, dass jetzt noch kein Platz im Himmel für sie sei. Ach Yehezkel, von dieser Tüftelei hätte ich gerne mehr gesehen!
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