Der Blog für die zweite Lebenshälfte

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Was Luther konnte. Und ich auch. Und Sie auch.

Veröffentlicht in: Allgemein, Andacht/ Spiritualität, Ideen für Gruppen

Mein (Annegret Zander) kleiner Predigtbeitrag zum Reformationsjubiläum, mit den wunderbaren Projekten im Herzen, die wir in der Fachstelle gerade verwirklichen dürfen. Dieser Text kann auch jenseits des Reformationsjubiläums als Impulsgeber für persönliche und Gruppenaktionen und Reflektionen dienen. Am Schluss gebe ich ein paar zusätzliche Ideen für Gruppen.

Reformation kommt von dem lateinischen Wort re-formatio. Das heißt re – zurück und formatio – Formung, zusammen also Rück-formung. Etwas, das aus der Form geraten ist, wird zurück in Form gebracht. So wird wieder erkennbar, was es ist.

Nageln Sie mich nicht fest auf den Vergleich, aber Reformation ist ungefähr so wie ein Hausumbau eines alten Fachwerkhauses. Jahr über Jahrhundert wird an- und umgebaut, manches wird abgetragen, neues kommt hinzu. Die Fenster werden erneuert, das Dach neu gedeckt. Wackeliges und unnützer Schnickschnack wird zurückgeformt. So entwickelt sich das Haus im Re-formieren immer weiter, aber nie zurück.
Das Fundament bleibt bestehen. Daran muss man sich manchmal erinnern – und an die Statik, die tragenden Pfeiler.
So wie Martin Luther das tat, als er sich selbst und seine Kirche daran erinnerte, was wirklich trägt: Allein die Schrift, allein die Gnade, allein der Glaube.

Mein eigener reformatorischer Umbau geschah vor einem Jahr als ich ein Studiensemester einlegen durfte. Die drei Monate haben mein Predigen verändert, wie alle, die mich seitdem auf der Kanzel erlebt haben, wissen. Ich war ausgezogen, die Harmonie aus meinem Glauben zu vertreiben. Ich wollte die Bibel wieder neu und genauer lesen. Ich wollte mit Worten ringen und spielen.
Das ist – glaube ich ziemlich reformatorisch. Und so (und auf meine neue Weise) habe ich für heute einige reformatorische Schlüsse gezogen.
Unter dem Motto:
Was Luther konnte. Und ich auch. Und Sie auch.

Was Luther konnte. Und ich auch. Und Sie auch.

Fragen stellen
Gibt es einen ungnädigen Gott? Müsste Gott endlich ungnädiger werden? (Sie wissen schon, wegen all dem Mist, den Menschen sich und einander und der Mitwelt antun.)  Gibt es überhaupt einen Gott? (Auch deswegen.) Ist diese Frage wichtig? Muss diese Frage wieder wichtig werden? Müsste ich nicht härtere Fragen stellen? Müsste ich nicht öffentlich härtere Fragen stellen? Müsste ich die Fragen nicht auf ein Schild schreiben und herumtragen? Müsste ich damit nicht auf die nächste Demo für eine gute Sache gehen? Muss ich für Gutes eintreten? Bin ich gut? Muss ich immer gut sein? Muss ich Gutes tun? Kann ich das Tun als Protestantin lassen? Wäre dann Gott ungnädig? Mit mir?

Was Luther konnte. Und ich auch. Und Sie auch.

Mist bauen
Menschen verletzen, in die völlig falsche Richtung denken. Das Offensichtliche übersehen. Großkotzig sein. Alleine dastehen. Durch Unbedachtes Schlimmes auslösen.

Was Luther konnte. Und ich auch. Und Sie auch.

Die Bibel lesen
„Ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben, … Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht: Der Gerechte wird aus dem Glauben leben.“ (Röm 1, 16f)

Was Luther konnte. Und ich auch. Und Sie auch.

Gnade spüren
Die Freudenbotschaft hören. Am Boden sein können und wissen, dass ich aufstehen werde. Mit Kraft.

Wissen, dass ich genug bin. Kein Wenn. Kein Aber. Kein Mehr, kein Weniger.
Genau so richtig.
Obwohl und trotzdem.

Glauben, dass ich mir die Liebe nicht verdienen muss.
Das Ja geschenkt bekommen. Einfach weil.
Geschöpf Gottes, nach Gottes Bild.
Gut. Sehr sogar.

Mit dem „Ja“ und dem „Genug“ durch die Welt stapfen, meine kleine Welt.
Frei und verbunden. Mit mir und den Menschen und der Mitwelt.

Was Luther konnte. Und ich auch. Und Sie auch.

Vergnügungen zählen (nach Berthold Brechts Gedicht „Vergnügungen“)

Die Gänse beim Gen-Süden-Ziehen belauschen.
Die Farben des Herbstes riechen.
Den Zeigefinger durch den Rest der Bratensoße ziehen – und ihn ablecken.
Den flammenden Abendhimmel fotografieren.
Laut singen.
Ein Kind schaukeln.
Rindfleischsuppe kochen.
Im Garten wühlen.
Herzen.
Am bunt gedeckten Tisch mit Freunden fröhlich den Alltag besprechen
Auf beiden Füßen stehen und die Erde spüren.
Eine Nuss knacken.

Was Luther konnte. Und ich auch. Und Sie auch.

Gottesnamen schmecken
Lebendige. Weg. Bräutigam. Offene Tür. Lebensbrünnlein. Schlüssel. Löwe. König. Stern. Lamm. Vater. Gerechte. Hirte. Perle. Brot. Fels. Liebste. Weinrebe. Mein schönste Zier. Schutz und Schild. Einzige. Zorn. Unsagbar Gesagter. Mutter. Herr aller Herrscher. Trösterin. Schöpfungskraft. Hebamme. Sonne. Kriegsmann. Meine Stärke. Quelle. Licht. Zuflucht. Richter. Allmächtige. Heil. Kraft. Fels. Burg

Was Luther konnte. Und ich auch. Und Sie auch.

Groß denken
Das Haus lieben und weiterbauen. Hier ein Zimmer ausrümpeln und streichen und neue Leute einladen und zusammen wenigstens das erste Zimmer schon mal gemeinsam einrichten und ausprobieren, was geht und was nicht.
Feiern. Gott und das Aufstehen.
Thesen aufstellen und diskutieren.
Das Bekannte in Frage stellen. Das Gewohnte erst recht. Fehler machen und nicht aufgeben.

Re-Formieren eben: Neu formen und dabei das Herz des Hauses schlagen sehen. Laut und deutlich.


Die einzelnen Abschnitte können Sie für sich und in Ihrer Gruppe mündlich und schriftlich nachdeklinieren, zum Beispiel „Vernügungen“ aufzählen.

Hier nur ein paar kleine zusätzliche Impulse:

Welche Frage würden Sie auf das Schild schreiben?

Welche Frage ist für Sie die stärkste? Wie beantworten Sie sie?

Welches Gottesbild klingt Ihnen heute besonders wohltuend nach?

 

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4 Kommentare zu “Was Luther konnte. Und ich auch. Und Sie auch.”

Liebe Annegret Zander,
diese Worte habe ich sehr
gerne gelesen.Es spiegelt
viel,wie ich denke und
fühle. Danke dafür!
Herzlicher Gruß
Geertje vom WandelSinn ;-)

Wie schön! Gemeinsam unterwegs.
Herzlicher Gruß Annegret Zander

Liebe Annegret, schön geschrieben! Und welche Fragen schreiben wir aufs Schild? Und wie wäre Gott in seiner Ungnädigkeit?

Schöne Gottesnamen hast du gewählt … ich geh mal schwanger mit re-formatio.

Herzliche und vergnügte Morgengrüsse aus Malta.
Petra

[…] durch Annegret Zanders Predigtartikel „Was Luther konnte. Und ich auch. Und Sie auch“ habe ich Morgenseiten geschrieben. Auf dem Balkon in Malta/Valletta sitzend habe ich zugesehen wie […]

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