Ein Liebeslied für meine Nachbarn
Ich habe einen Raummeter Brennholz gewonnen. Keine Ahnung, wieviel das sein mag. Ich selbst habe gar keinen Kamin. aber meine Nachbarin, Frau O., die hat einen. Auf einem Gartenfest gab es ein Preisausschreiben einer Gärtnerei. Man sollte das Alter einer Baumscheibe schätzen. Ich wich mit meinem Vorschlag nur 1 Jahr ab. 91 Jahre hatte der Baum auf der Wurzel gehabt.
Für mich selbst habe ich in meinem Leben erst einmal etwas gewonnen. Diesmal dachte ich beim Zählen der Jahresringe an Frau O. und dass sie sich sicher über ein bisschen Holz freuen würde.
Sie freut sich! Wir haben herzlich im Treppenhaus gelacht , als ich meinen Erfolg gleich noch brühwarm der anderen Nachbarin erzählte.
Aber der eigentliche Gewinn ist, dass ich mich nach 5 Jahren „Guten Tag – und sonst nichts“ eines Tages entschloss, Frau O. ein Stück Kuchen vorbei zu bringen. Sie liebt Kuchen, wie ich bei dieser Gelegenheit erfuhr. Und nun geht es hin und her zwischen den Türen, mal mehr mal weniger. Sie schneidet mir inzwischen die Haare, weil sie im Ruhestand doch noch mal einen kleinen Heimsalon eröffnet hat. Sie schenkt mir immer mal eine herrliche Kopfmassage. Ich habe ihr schon oft beim Schlüsselfinden geholfen und in der nächsten Kälteperiode werde ich mich mal zum Füße wärmen bei ihr einladen. Im Gegenzug probiert sie unerschrocken meine neueste Suppenkreation beim Spontanessen.
Anstoß zu mutigeren Begegnungen hatte Herr L. gegeben. Mit 82 war er Witwer geworden und brachte mir eines Tages leckersten Toast mit Krabben vorbei, den er gerade in seinem Kochkurs für Singles gelernt hatte. Von ihm habe ich auch die Figürchen für den Weihnachtsbaum. Vor seinem Tod räumte er fleißig aus und verteilte seine Schätze. Den Entschluss, Frau O. näher kennen zu lernen, hat sein Tod voran gebracht. Denn wir haben nicht ewig Zeit. Dafür jede Menge (mehr …)
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