Der Blog für die zweite Lebenshälfte

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Chill-Alter

Veröffentlicht in: Älterwerden (im Selbstversuch)

Unser im Ruhestand befindliche Kollege Friedemann Binder, der den Newsletter der EAfA zusammenstellt sinnierte folgendes über sein Alter: (und wirbt für die Veranstaltungen im Zentrum Älterwerden auf dem Kirchentag!)

Seit 8 Jahren stelle ich mich nun schon bei jeder passenden (und unpassenden) Gelegenheit als ‚Rentner im Selbstversuch‘ vor und bestehe je länger je mehr darauf, einfach ‚alt‘ sein zu dürfen; nicht ‚älter‘ oder ‚Junger Alter‘ oder gar ‚noch jugendlich‘. So versuche ich, den Menschen in meiner Umgebung beizubringen, dass das Alter heute bunt und vielgestaltig ist und die Zuschreibung ‚alt‘ nicht erst bei Unterstützungsbedarf angezeigt ist.

Der Virus und der Beipackzettel
Jetzt habe ich dazu allerdings in den letzten Tagen eine interessante Erfahrung mit mir selbst gemacht. Eine Virusgrippe hatte mich erwischt und musste mittels Antibiotika, Schmerzmittel und Hustenlöser bekämpft werden. Und weil ich ja Zeit hatte, habe ich – zum ersten Mal in meinem Leben – vor Einnahme der Medikamente die Beipackzettel (ganz!) gelesen und entdeckt, dass die Hersteller genau dies vom Patienten verlangen: „Bitte lesen Sie diese Informationen vor der Einnahme des Medikaments ganz durch“. Ein in kleinster Type beidseitig engbedrucktes Papier in gefühltem ZEIT-Format! Die Arme werden lahm, bis man endlich umblättern darf und schließlich auf der Rückseite ganz unten erfährt, wie oft, wann und wie man die Tabletten einnehmen soll. Zuvor aber kämpft man sich durch eine nicht enden wollende Aufzählung schwerer Nebenwirkungen, die ‚sehr häufig‘-‘häufig‘-‘manchmal‘-‘selten‘-‘sehr selten‘-‘äußerst selten‘ auftreten und ‚bei älteren Patienten‘ ‚auch mit tödlichem Ausgang‘ enden können. Bei ganz schweren Folgeerkrankungen werden aus ‚älteren Patienten‘ dann zur Abwechslung auch mal ‚Patienten in höherem Lebensalter‘.

Chillen
Im Laufe dieser Pflichtlektüre hat mein Insistieren, doch auch bitte mit 73 Jahren schon ‚alt‘ sein zu dürfen, irgendwie neu durchdacht werden wollen. Nach diesem Horrorkatalog möglicher Erkrankungen spürte ich, wie wohltuend mir jetzt der Gedanke des Chill-Alters war: Mit gefühlten weniger Jahren waren die angedrohten Nebenwirkungen plötzlich nicht mehr so bedrohlich. Lustigerweise wurden am selben Abend bei der Wetterkarte auch Chill-Temperaturen gemeldet. Der steife Nordwind hatte aus gemessenen minus 11°C gefühlte – 23°C werden lassen. Chill funktioniert also nach oben und nach unten relativierend. Das gefällt mir.

Besser? Jünger? Alt?
Interessant ist ja auch, wenn man dann am Telefon gefragt wird, ob es einem wieder gut gehe, und man wiedersprechen muss, weil es einem erst ‚besser‘ geht. Merke: ‚besser‘ ist schlechter, als ‚gut‘; so wie ‚älter‘ jünger ist, als ‚alt‘.
Um diese oder ähnliche Fragen des Alterns wird es auch wieder im ‚Zentrum für Ältere‘ beim Kirchentag in Stuttgart gehen. Das Programm finden Sie  auf der Hompage der EAfA.

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