„Dein Walter“ oder: Wie aus Mailverteilerlisten Köder werden
Mein Kollege im Ruhestand Friedemann Binder schreibt für den Newsletter der EAfA (Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Altenarbeit) Er hat in Sachen „Emailverteiler“ eine wichtige Lektion gelernt, die wir Ihnen nicht vorenthalten möchten. Er schreibt:
Ich bekomme eine Mail mit hoher Priorität. Absender: die Mailadresse von WalterXY (einem Freund und Kollegen aus dem Nachbardorf)
Betreff: dringende Bitte
Lieber Friedemann, schreibt er, ich bin z. Zt.in Irland und wurde heute bestohlen: Geld, EC- und Kreditkarte samt Rückflugticket, alles weg. Kannst Du mir bitte aus der Patsche helfen und mir schnell das Geld für den Rückflug zukommen lassen. Selbstverständlich bekommst Du es daheim sofort zurück. Ich hoffe auf eine schnelle Antwort.
Herzlichen Gruß
Dein Walter – samt anhängender kompletter Adress-Signatur, wie ich sie von Walter schon immer kenne!
Ich hege zwar Zweifel an der Echtheit des Hilferufs, beantworte die Mail aber trotzdem umgehend, weil ich den Schwindel ggf. aufdecken will, und schreibe: Oh Du lieber armer Walter, so ein Pech. Selbstverständlich helfe ich Dir. Bitte ruf mich sofort an. Wenn Dir auch dafür das Geld fehlt, dann geh auf eine Polizeistation und lass Dir die Verbindung herstellen. Meine Nummer steht in der Signatur.
Bis gleich
Dein friedemann
Nach wenigen Minuten kommt die Antwort von Walter: . kann leider nicht anrufen, sitz in einer öffentlichen Bibliothek in Dublin an einem PC. Bitte überweise das Geld doch gleich an folgendes Konto . bei der XY-Bank. Gruß und Dank für schnelle Hilfe! Dein Walter
Ich schicke diese ganze Korrespondenz – wie schon öfter bei solchen Machenschaften – an die hier zuständige Abteilung der Kriminalpolizei. Ein halbe Stunde später meldet sich mein Freund Walter – der echte – von zuhause am Telefon und berichtet empört, dass er Strohmann für einen dutzendfach versuchten Betrug geworden ist.
Jetzt wie passiert sowas?
Walter ist ein kirchlich und diakonisch vielfältig vernetzter Kollege, der meinte, bei Rundmails an Kollegen und Freunde und vertrauenswürdige Bekannte könne man die Mailadressen ruhig offen auf den Verteiler setzen, z.B. bei Einladungen zu Veranstaltungen etc. Aber, wie die (wahre!) Geschichte zeigt, ist dies leichtsinnig, fahrlässig und für Absender wie Empfänger gefährlich. Wir haben auch und erst recht gegenüber Freunden und Kollegen die Pflicht zum beschützten Umgang mit deren Daten!
Deswegen rate ich dringend zu dem einmaligen Aufwand, jede Adresse in unseren Kontaktverzeichnissen mit einem ,ANZEIGENAME‘ zu versehen, der dann in Sammelverzeichnissen die wahre Mailadresse ersetzt. Wem dieser Aufwand zu groß ist, der möge bitte bei Vielfachversänden die eigene Adresse als Empfänger eingeben und alle anderen unter BCC einstellen.
Wir sollten den „Waltern in Irland“ ihr Handwerk erschweren, oder?
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