Einen Moment – Weihnachten
Heute, am 1. Weihnachtstag halte ich diese Predigt. Ich bin neuerdings von Wortspielerinnen umgeben. Das färbt ab.
Der Predigttext steht im Titusbrief 3, 4 – 7. Das drumherum im Brief ist für starke Nerven. Hier sieht man, wie wichtig es ist, die biblischen Texte auch in ihrem geschichtlichen Kontext zu sehen. Der Ausschnitt für die Predigt ist also ein symphatischer Ausreißer, quasi ein Text gegen den Text. Die 3 kleinen Leute sind von dem britischen Künstler Slinkachu inspiriert. Und die 10 – jährige Marie, hat den kleinen Orten ihren Platz gegeben.
Drei kleine Leute,
von Kinderhand auf den Rand einer Kerze gesetzt.
Da sitzen sie nun.
Nicht so wirklich entspannt.
Sind ja eben erst gelandet.
Ein Zwischenstopp.
Die Kinderhand hat sie zusammengewürfelt,
die Ältere, die Jüngere, den Mann in mittleren Jahren.
Als wären sie aus ihrem Alltag gepurzelt und unversehens hier gelandet.
Sind wir ja auch. Hineingepurzelt in die Weihnacht. Vor den Baum gesetzt, die Kerzen. Wir berappeln uns.
Noch klingelt es in den Ohren und klappert es in den Knochen, so wie bei den Leuten, die den Titusbrief geschickt bekamen. Machmachmach, stand da drin. Verhalte dich ordentlich, halte dich an die Regeln des Staates, sei gastfreundlich, plapper nicht rum, sondern sag das Richtige. Der Schreiber, der es gutmeinte, schrieb an Titus (Tit 3, 1 Bibel in gerechter Sprache) „Erinnere die Gemeinde daran, sich den Machthabenden und Behörden unterzuordnen, Anordnungen zu befolgen, und bereit zu sein, für das Gemeinwohl in jeder denkbaren Weise tätig zu werden.“
„Ja. Haben wir“, sagt Frau B.. Ich traf sie beim Fleischerwagen auf dem Obermarkt. „Wir tun so viel hier, für die Obdachlosen, für die Flüchtlinge. Man könnte meinen, wir wären nur noch ein Sozialverein.“
Sie setzt sich neben die Dame in Grün. Mal einen Moment Pause machen. Einen Moment oder zwei oder drei – nach innen schauen. Und spüren:
Die Menschenliebe ist erschienen, die Freundlichkeit Gottes.
Sie zieht uns heraus aus den Anstrengungen,
den Verstrickungen des Tages – und der Welt.
Nicht weil wir Gutes getan haben,
Werke der Gerechtigkeit
– und uns dabei wirklich angestrengt haben.
Bis an die Grenzen und darüber hinaus.
Sondern weil Gott mit uns mitfühlt.
Tiefes ehrliches Mitgefühl.
Wärmendes, berührendes,
den Rücken stärkendes Mitgefühl.
Einfach weil wir da sind. Einfach so. Wie wir sind.
Weil wir sind.
Große Gottesliebe für kleine Leute.
Ich sehe das Scheinen, das Leuchten.
Ich setze mich neben Frau B., die neben der Dame in Grün, die neben dem Mann im Anzug, der neben der jungen Frau – im Zwischenstopp. Sie können Sich ruhig auch dazusetzen.
Und das Bad nehmen.
Gottes heilige Geistkraft,
reichlich über uns ausgegossen.
Nicht mehr meine Kraft.
Sondern Gottes.
Spüren – Stille –
Gottes Kraft in Fülle
für dich.
Aus Liebe.
Die Alten nannten das Gnade.
***
Wir rutschen sanft vom Kerzenrand.
Die Kinderhand ist behilflich, wenn nötig.
Sanfte Landung.
Bei dem Kind, das – in der Krippe – die Zeit anhält.
Und den Blick auf die Welt.
Ein Kind ist uns geboren.
Gottes Menschenliebe und Freundlichkeit geboren.
Für uns.
Und für die, zu denen wir morgen wieder gehen
und für die, die uns Mühe machen oder Angst.
Große Gottesliebe klein geworden,
damit sie in uns wachsen kann.
Und in der Welt.
Kommt, schauen wir noch einmal nach dem Kind.
Amen