Der Blog für die zweite Lebenshälfte

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Portrait Dorothea Reiter, Lebens- und Sterbebegleiterin „Steine im Weg als wertvoll betrachten“

Veröffentlicht in: Allgemein, Älterwerden (im Selbstversuch), Andacht/ Spiritualität, Endlichkeit

Portrait Dorothea Reiter, Lebens- und Sterbebegleiterin Ich habe Dorothea Reiter „zufällig“ im Urlaub in der Nähe von Bad Tölz kennengelernt. Die Freundin, bei der ich wohnte, spielte mir ihre Hefte zu. Sie hatte – in Auseinandersetzung mit ihrem Glauben eigene Texte zu biblischen und theologischen Texten und Themen geschrieben. „Ja-Worte“, nennt sie das. Mich beeindruckten die einfachen und lebens-reichen Texte. Und bin überzeugt, dass andere dies genaus tun können. Ihren Glauben, ihre Hoffnungen in Worte zu fassen und daraus Kraft zu schöpfen. Dorothea Reiter begleitet Menschen im Leben und im Sterben mit eindrucksvoller Intuition. Sie ermutigt, der inneren Stimme zu glauben und zu folgen.
Sie hat auch ihre Erfahrungen als Sterbebegleiterin aufgeschrieben, um andere zu ermutigen, das Sterben auch mit seinen Geschenken zu sehen.
www.dorothea-reiter.de
„Jedem ein Licht anzünden“
Ich bin Dorothea Reiter 49 Jahre alt, römisch katholisch,  verheiratet und wir haben zwei wunderbare Kinder. Ich wohne in Großhartpenning und bin meinen Schwiegervater dankbar für unsere wunderbare Wohnlage. Diese Freiheit, der Sonnenaufgang, Mondaufgang, die vielen Tiere und so vieles mehr.

Dein Lebensmotto
Jedem ein Licht anzünden und ist es noch so klein.

Dein Lebensgefühl/ vielleicht gibt es ein Bild dafür?
Wie ein Baum zu sein, verwurzelt mit der Erde, standhaft egal was kommt, wachsen in meine tiefe, in die Breite und Fülle meines  Lebens und in die Höhe der Gefühle und Emotionen.  

 
 

 

 

In der zweiten Lebenshälfte geschieht viel in der ganzen Spanne zwischen Abschied und Neubeginn. Was bedeutet Älterwerden für Dich? Verändert sich etwas? Wie gehst du damit um?
Wenn wir es genau betrachten, wächst jeder Mensch langsam in die verschiedenen Lebensabschnitte hinein. In die verschiedenen Lebenserfahrungen bin ich oft hineingeworfen worden.
Vieles von meiner Kind- und Jugendzeit habe ich getragen und ertragen müssen und zwar so lange, bis mir eine Freundin sagte: Du sollst Dich für alles was Du erleben durftest bedanken, alles was dir in den Weg gelegt wurde, war wichtig für Dich. Zuerst glaubte ich das nicht, doch ich faste den Mut und begann alles mit anderen Augen zu betrachten. Hätte ich eine bestimmte Situation nicht erlebt wäre ich nie ausgezogen, hätte ich nicht im Kindergarten gearbeitet, wäre ich nicht nach Großhartpenning gekommen, hätte ich nicht meinen Mann……… So habe ich mein Leben auf den Kopf gestellt und erkannt besonders was mich verletzt hat, hat mich am weitesten gebracht. Das kann man nur wenn wir ein gewisses Alter erreicht haben. Ich möchte jeden dazu ermutigen sein Leben anzuschauen, es anzunehmen, bestimmtes sein zu lassen, um mit Dankbarkeit offen für neues zu sein.
Ich schreibe alles auf und lege es in die Waagschale und erkannte, alles was ich gutes erleben durfte überwiegt alles. Ein wichtiger Satz dazu ist für mich wichtig geworden als Jesus am Kreuz rief: Vater verzeihe ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.
Auch uns verzeiht unser Vater da wir oft nicht wissen was wir tun, was wir reden, was wir denken doch egal was, wenn wir bereit sind zu verzeihen auch mir selbst so ist Gott bereit auch uns zu verzeihen. Mit diesem Wissen darf man auch alt werden, egal was kommt.

Hast du ein Vorbild für Dein Älterwerden?
Mein Onkel Wastl, er verlor im Krieg ein Bein. Diesen körperlichen Schmerz den er ertragen musste, als in der Kirche ohne Betäubung der Fuß abgenommen wurde oder den mentalen Schmerz im Krieg.
Wir können uns diese Zeit kaum vorstellen und trotzdem habe ich eine so große Zufriedenheit, Ruhe, Gelassenheit, Fröhlichkeit erleben dürfen. Diese Ausstrahlung von meinen Onkel war ansteckend.
Als er einmal so richtig krank wurde hat meine Mama einen Pfarrer gerufen.
Wastl bekommt heute das Sterbesakrament. In diesen Moment habe ich mich so aufgeregt ich war 13 Jahre alt. Doch was dann kam war für mich wie ein Wunder. Mein Onkel bekam durch dieses Sakrament eine unwahrscheinliche innere Kraft so wurde er wieder gesund und durfte 90 Jahre alt werden.
Heute nennt man dieses Sakrament Krankensakrament und diese Erfahrungen konnte ich bei meinen Sterbebegleitungen nutzen. Auch die Kraft, Ruhe und Frieden um den letzten Weg zu gehen wurde dadurch sichtbar und spürbar. Für diese Alterserfahrung bin ich sehr Dankbar und möchte jeden dazu aufrufen dieses Sakrament anzunehmen.

Deine Biografie ist ungewöhnlich. Überspitzt gesagt: von der Putzfrau zur Lebensbegleiterin. Wie kam es dazu?
Ich wurde noch so erzogen jede Arbeit bringt Geld und meine Erfahrungen mit all den Arbeiten möchte ich in keinster Weise missen. Da ich auf einen Bauernhof aufwachsen durfte, war arbeiten unser Leben wir haben von unseren Hof gelebt. 6 Kinder, Eltern, Großeltern, Knecht, Magd und Onkel Wastl. Ohne Fleiß keinen Preis. Ich habe für mich erkannt: das Leben kann man nicht lehren, das Leben muss gelebt werden.
Von dienen kommt auch verdienen und das geschieht nur im Umgang mit Menschen. Nur so lernte ich die Verschiedenartigkeit kennen. Es gibt keine kleine unwichtige Tätigkeit und alles was ich selbst getan habe kann ich auch achten und somit  meine Achtung aussprechen.
Ich lebe in meiner Einfachheit, die Menschen, die Tiere, die Pflanzen sind meine Lehrmeister.
Ich wollte einmal eine Wanderung mit Manager machen, da meinte jemand, mit dieser Einfachheit wären sie überfordert. So erkannte ich auch ich wäre in jeder Hinsicht überfordert so zu leben wie ein Manager.

Du engagierst dich in der Sterbebegleitung. Wie kamst du dazu? Was ist dir  dabei wichtig?
Dazu kam ich wie die Mutter zum Kind. Ich habe das Gefühl in meinem Lebens –Fluss zu schwimmen und immer springe ich heraus um wichtiges zu tun.
Als Tante Irmi an Krebs erkrankte war ich für sie einfach da. Ich begleitete sie täglich durch diese Erfahrungen begann mein Weg als Sterbebegleiterin.
Meine Schwiegermutter sozusagen ihre Schwester war meine zweite Begleitung. Wir beide haben uns 25 Jahre schwer getan den anderen so zu akzeptieren wie man ist. Doch uns wurden 11 kostbare Tage geschenkt um zu erkennen alles was ist besteht aus LIEBE. Oder einen Priester der die Auferstehung in sich selbst erleben durfte. Durch meine Schwiegermutter kam ich auch noch in ein Hospiz, da arbeitete ich 3 Jahre lang. Auch diese Erfahrungen sind mehr wert als alles Gold der Erde.
Und wichtig ist mir, ich habe bei all diesen wunderbaren Menschen und alle die ich im Altersheim besuche festgestellt, noch niemand hat ihnen gesagt wie wichtig, einmalig und wertvoll sie sind. Dieser Wert ist wie eine große Perle in einer Muschel sie muss nur noch geöffnet werden. Doch wie? Da fiel mir der Satz ein. Liebe deinen Nächsten wie Dich Selbst mehr braucht ihr nicht zu tun. Und da ich als Wortgottesdienstleiterin mich genau mit diesem Thema auseinandergesetzt habe, kam ich auf etwas Wunderbares.
Was heißt Liebe, ist Selbstliebe nicht egoistisch, entsteht daraus nicht Neid, Hass, Macht……. Doch Liebe ist eine Verbindung eingehen. Die Babys gehen eine Verbindung ein mit ihrem Lächeln jeder ist durch dieses Lächeln verzaubert. Von Kleinkindern würde man die Verbindung zur Natur wieder lernen.
Zum Beispiel wie viele Kleintiere sehen Kinder und wie viel Zeit nehmen sie sich dafür. Sie sind es, die uns auch wieder zu unserem Glauben führen würden durch die Taufe, Kommunion, Firmung, Hochzeit…..
Ihre Taufe ist wieder unsere Taufe, ihre Kommunion ist wieder unsere und sehr wichtig ihre Firmung wäre wieder unsere. Würden wir uns mit all dem wieder Verbinden entsteht Liebe zum Glauben. Eine Verbindung eingehen, dadurch öffnen wir uns und so könnten wir unsere Liebe weitergeben. Wie Jesus es getan hat, er hat zu allen Menschen egal welch einen Glauben, ob Samariterin, ob Zöllner, ob Kleingläubige, ob Aussätzige….., genau zu den Zeitpunkt der Begegnung eine Verbindung aufgebaut. Das heißt sich genau für diesen Menschen Zeit genommen, genau ihn gehört, mit ihm gesprochen, für ihn dazu sein, ihn ermutigt, ihm gesegnet, ihm verziehen, ihm das Gefühl gegeben geliebt zu werden.
Schenken wir unseren Nächsten diese Zeit, so ist Liebe in uns und diese Liebe ist die Verbindung die ein Mensch niemals trennen kann und zwar für immer und ewig.

Welche Rolle spielt Glaube/ Religion/ Spiritualität für Dich?
Sie spielen eine sehr große Rolle für mich. Ich weiß ich werde immer getragen, mir wird verziehen, ich bin niemals alleine, ich bin einmalig so mein Handeln, mein Tun und meine Gedanken und genau so werde ich gebraucht und geliebt.

Welchen Traum möchtest Du wahr werden lassen?
Träume sind Schäume und so ein Schaum besteht aus sehr vielen Regenbogenblasen. Genau aus einer einzigen Regenbogenblase entstehen wir.
Das weiß ich, da meine Tochter ein Retortenbaby war und die erste Eizellteilung durchs Mikroskop genau wie eine winzig kleine Regenbogenblase aussah. Besonders der sichtbare Schaum erfüllt meine Träume. Ich möchte den Weg den Gott Vater für mich bereit hält erkennen, sehen, hören und gehen. Und für all die Wege die er mir schon gezeigt hat dafür möchte ich Dankbar sein.
Ich weiß alle Menschen die mir in der einen Weise und der anderen begegnet sind waren wichtig für mich. Ich möchte mir die Zeit nehmen bei jeder wichtigen Begegnung mich zu öffnen, eine Verbindung aufbauen und Liebe annehmen und weitergeben.

Für was ist es nie zu spät?
Sich selbst kennenzulernen, sich verzeihen für all das was wir angenommen haben was nicht zu mir gehört. Mitleid in Mitgefühl umwandeln. Seine Steine im Weg als wertvoll zu betrachten. Geschenke des Tages anzunehmen. Ein Lächeln kostet nichts und bringt so viel. Hören was die Menschen wirklich sagen, sehen was die Natur uns schenkt, und spüren wo hin es uns lenkt.

Was ist Dir sonst noch wichtig/ hätte ich Dich unbedingt fragen sollen?
Gott sagt: vergesse es nicht, Dein Name ist in meiner Hand geschrieben.
Als ich meinen Pfarrer begleiten durfte und ein paar Tage bevor er gestorben ist meinte er. „Du Dorle alle sagen Geistlicher Rat oder Herr Pfarrer zu mir, wissen die gar nicht dass ich Leonhard getauft bin.“ Da wurde mir bewusst, wir werden bei unseren Namen gerufen.
Ich möchte mich für das Interesse meiner Person bedanken, und meine Gabe wird meine Aufgabe werden.

Gottes Segen wünscht Dorothea Reiter

www.dorothea-reiter.de
mail
  dorle@metallbau-reiter.de
Dorothea Reiter Tölzer Straße 105
83607 Holzkirchen
Tel.08024/7670


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1 Kommentar zu “Portrait Dorothea Reiter, Lebens- und Sterbebegleiterin „Steine im Weg als wertvoll betrachten“”

Ute sagt:

…….. und ich hab das Dusel, dass wir auf dem selben Hof wohnen!! Dorle schreibt nix, was sie nicht erlebt und lebt. Da können wir Kopfis uns die eine oder andere Scheibe abschneiden. Mei, bin I froh. :-)

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